Leserbrief in „Die Pirsch/Der Deutsche Jäger“, Heft 9/2001, S. 25
Bitte etwas mehr FingerspitzengefühlZum ersten Mal habe ich die Messe „Jagd & Hund“ 2001 in Dortmund besucht. Alles in allem war ich über die Größe der Veranstaltung stark beeindruckt. Auch die Vielzahl der Anbieter von Jagdreisen aus aller Herren Länder war für mich sehr eindrucksvoll. Was ich aber an einem Stand eines afrikanischen Jagdreiseanbieters sah, verschlug mir glatt die Sprache. Voraus schicken möchte ich, dass ich jagdlich mit Afrika und dem dort befindlichen Großwild keine Erfahrung habe. Gelesen habe ich schon einiges darüber, darum zog es mich auch zu der Videodarbietung, mit der der Veranstalter um seine Jagd warb. Der Film hieß ins Deutsche übersetzt, „Der Tod zu meinen Füßen“. Gezeigt wurden jeweils Szenen, in denen angeschossenen Büffeln oder auch Flusspferden der Fangschuss angetragen wurde. Jeweils wurde immer solange gewartet, bis das wehrhafte Wild auf den Schützen zustürmte. Mit dem Fangschuss wurde immer bis zur letzten Sekunde gewartet. Das Stück brach dann nur ein paar Meter vor dem Schützen zusammen. Bei einem Büffel flog nach dem Schuss der Unterkiefer davon. Einem Flusspferd hingegen, bei dem sich schon ein Blutstrahl von etwa einem Meter aus seinen Nüstern ergoss, hob man mit einem Meisterschuss aus zirka 20 Meter die Schädeldecke. Meiner Ansicht nach war der Busch auch nicht so dicht, dass ein sicherer Schuss aus größerer Distanz möglich gewesen wäre. Sind so die jagdlichen Anforderungen in Afrika? Bei mir erweckte es allerdings den Eindruck, dass hier für so manche Jäger etwas, ja wie soll ich mich ausdrücken, etwas wie ein geiler Kick geboten wird. Ein Blick in die Runde der Zuschauer bestärkte noch meinen Eindruck. In den Gesichtern las ich von entzücktem Staunen bis zu entsetztem Kopfschütteln. Bisher waren für mich die Sprüche der Jagdgegner über die Jäger, denen einer beim Schuss abgeht, ein blödes Gewäsch, wobei ich mir jetzt vorstellen kann, wie solche Meinungen zustande kommen. Normalerweise bin ich nicht der Leserbriefschreiber und ich habe lange hin und her überlegt, ob ich etwas unternehmen soll. Aber es lässt mir einfach keine Ruhe. Wird denn im Vorfeld nicht geprüft, was so angeboten und gezeigt wird? Die heutige Zeit verlangt einfach etwas mehr Fingerspitzengefühl, besonders wie wir alle wissen, im Umgang mit der Jagd. |
Im südlichen Afrika wird „canned hunting“ (Jagd in Dosen) angeboten: Ein Löwe wird mit Medikamenten benebelt, und ein Safarijäger aus Europa oder Nordamerika knallt ihn aus dem Jeep heraus ab. Deshalb hat mancher südafrikanische Rinderzüchter seine Farm auf die Zucht von Löwen (hinter Elektrozäunen) umgestellt, weil sich das mehr lohnt. Jagdurlaub im Ausland boomt nach dem Motto: Je seltener die Tierart, desto höher der Ruhm des Jägers.
„Von der klassischen Viehzucht, von Rindern und Schweinen wenden sich immer mehr südafrikanische Bauern ab, sie haben eine weitaus lukrativere Beschäftigung gefunden. In den letzten Jahren sind 5000 'gamefarms' entstanden, in denen Löwen, Elefanten und Rhinozerosse mit viel Aufwand versorgt und gepflegt werden. Über zwei Millionen wilder Tiere warten heute auf den zahlungskräftigen Jäger aus Amerika oder Europa. Für die Jagd und den Abschuss eines Rhinozeros kassieren die Inhaber der 'gamefarms' inzwischen 45 000 Euro. […] Diese Jagd-Industrie in den 'gamefarms' hat sich zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt, an der Universität von Pretoria wurden gleich zwei Studiengänge über die Bewirtschaftung der neuen Jagdreviere eingerichtet.“
(Jagdfieber in Südafrika, ARTE, 20. August 2002, 20:15 Uhr; vgl. Spiegel 19/2013, S. 122 ff)
Nun droht Gefahr:
„In Südafrika möchte das Parlament die Jagd auf Zuchtlöwen verbieten lassen. […] In dem beliebten Jagdreise-Land existieren etwa 200 Löwenzuchtfarmen, mehr als 8.000 der circa 11.000 Löwen am Kap leben in Gefangenschaft. Zucht und Handel mit Löwen sind ein sehr lukratives Geschäft.“ (jagderleben.de, Chr. Liehner, 24.01.2019)
Durch die Brille der Jägerpropaganda betrachtet sind die eingesperrten Löwen ein Beitrag zum Artenschutz, ein Schutz der Löwen vor ihrer endgültigen Ausrottung.
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Verbreitungsgebiet der Löwen Rot (und blau): historisches Verbreitungsgebiet, blau: derzeitiges Verbreitungsgebiet. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Lion_distribution.png Urheber: Tommyknocker (https://en.wikipedia.org/wiki/User:Tommyknocker) 24. August 2009 |
Canned Hunting gibt es übrigens auch in den USA:
„Allein in Texas existieren fünfhundert Jagd-Ranches, die jährlich eine Milliarde Dollars einbringen. In eingezäunten Gehegen können heimische oder auch exotische Tiere gejagt werden. […] Ein Gnu kostet bis 4000 Dollar, ein Nashorn das Fünffache. Die Trophäe ist garantiert: no kill – no pay.“ (Paul Parin, Die Jagd – Licence for Sex and Crime, ungekürzte Ausgabe 2018, Mandelbaum-Verlag, S. 79)
In den USA wurde die Möglichkeit erfunden und angeboten, Tiere bequem vom heimischen PC aus mit Hilfe des Internets und einer per Mausklick ferngesteuerten Waffe umzubringen. Natürlich hat sich der Deutsche Jagdverband davon ganz empört distanziert.
Südafrikanische Landeigentümer pflegen zu sagen: „If it pays, it stays“. Die Umkehrung gilt aber auch: Tiere, mit denen kein Profit zu erwirtschaften ist, werden ausgerottet. So geschah es z. B. mit dem Quagga (equus quagga), einer Unterart des Steppenzebras, das einst in großen Herden nur im südlichen Afrika lebte. Um 1861 herum wurde das letzte getötet (Kalchreuter, Die Sache mit der Jagd, BLV-Verlag, 1. Aufl. 1977, S. 88).
Und wie wird es wohl mit dem Nashorn weitergehen, das inzwischen zum Hornvieh mutiert ist?
„Der Nashorn-Züchter John Hume hat auf seiner Farm nahe Johannesburg rund 1.800 gut bewachte Nashörner stehen, darunter auch einige stärker gefährdete Spitzmaulnashörner. Von denen gibt es weltweit noch etwa 5.000 Tiere. Im Abstand von zwei bis drei Jahren sägt er den Tieren das Horn ab. Das geschieht für die Tiere schmerzfrei. Rhino-Horn besteht wie unsere Fingernägel aus Keratin und wächst genauso nach. John Hume sieht sich als Artenschützer, für viele NGOs ist er das Böse schlechthin. Er sitzt auf einem Berg von Nashorn-Horn, das er aufgrund der internationalen Bestimmungen nicht verkaufen darf.“ (jagdverband.de, 20. August 2019, Interview mit einem Dr. Sparwasser)
Böse NGOs! Nashorn-Horn ist wertvoller als Gold und Kokain! In ein paar Jahren könnte Mister Hume die Lust an seiner Fehlinvestition verlieren, und was wird dann aus den Rhinos?
„Züchter versteigert weltweit größtes Nashornzuchtprojekt“
„Das Projekt solle dazu beitragen, die rückläufige Zahl von Breitmaulnashörnern auf dem afrikanischen Kontinent wieder anzuheben, heißt es auf der Website der Farm. Humes Nashörner werden nicht [!] ausgewildert.“ Lupenreine Heuchelei! Nüchtern betrachtet hat sich Mr. Hume einfach nur verspekuliert. Seine Nashornproduktion kostet ihn fast 3 Mill. € im Jahr (Futter, Tierpfleger und -ärzte und Wachpersonal), seine Einnahmen liegen darunter, nix Natur. Nun versteigert er sein Pleite-Unternehmen (Tiere, Grund und Boden usw.) und will mindestens 9 Mill. € haben (zeit.de, 25. April 2023). Er nennt es „Platinum Rhino".
„White rhino monopoly capitalism?“ 28% der privaten Nashornbesitzer in Südafrika verlören das Interesse am sogenannten Artenschutz – zu teuer, zu wenig Rendite, schrieb www.dailymaverick.co.za schon im Juni 2020. Dementsprechend traf Mr. Humes Auktion auf null Nachfrage.
Monate später: Eine Organisation mit dem Namen „African Parks“ übernimmt Humes Besitz für eine geheimgehaltene Geldsumme und kündigt an, die Rhinos im Laufe von zehn Jahren an verschiedenen Orten Afrikas auszuwildern (hätte Hume doch selber machen können).
Das bisher abgesägte Horn hat Hume allerdings behalten, der alte Spekulant! (zdf.de, 22.09.2023)
„»Sie haben keine Ahnung«, beginnt Sullivan, »wie hier die Jagd betrieben wird. Kommt so ein Bursche daher, der sein Leben lang nichts anderes gejagt hat als Dollars. Schon vom Schiff aus depeschiert sein Sekretär an den White Hunter in Nairobi: »Mister Moneymaker wünscht drei Löwen zu schießen, zwei Büffel und einen Elefanten. Möglichst in drei Tagen.« Der White Hunter besorgt den Jagdschein von der englischen Regierung, rüstet die Expedition aus vom Küchenchef bis zur letzten Patrone. »Safari« nennen sie das. Dann geht's los ins Jagdrevier. Der Löwe steht schon da, frißt das Zebra, das man ihm vorgeworfen hat.
Der Herr mit den Dollars schießt, der Löwe fällt um. »Solch einen hat selbst der Prinz von Wales nicht gekriegt«, flüstert der White Hunter und schließt die Augen. So kann er den dummen Stolz im Gesicht des Jägers und die kahlen Stellen im Fell des gefällten Simba nicht mehr sehen, den der Hunger des Alters ins Verderben trieb.
Dann läßt sich der Mann aus USA. fotografieren, über seiner Beute. Meist mit dem Fuß auf der Löwenmähne.“ (Ernst Udet, Mein Fliegerleben, Kapitel: Vier Männer in Afrika, 1935 (https://www.projekt-gutenberg.org/udet/flieger/chap008.html))
Zu den Standardargumenten der Jägerpropaganda gehört auch die Behauptung, dass der Jagdtourismus ein Segen für „die“ Menschen in fernen Ländern sei.
„Das große Geld bringen die Gastjäger, die nur an Trophäen interessiert sind. Sie bringen die dringend benötigten Devisen“, schrieb Dr. Kalchreuter 1977 unter der Kapitelüberschrift „Das Wild muß Wirtschaftsfaktor werden“ (a. a. O., S. 184f).
Leider stören die begriffsstutzigen Einheimischen:
„Sein Wert [der Wert des Wildes] ist allerdings dem kleinen Mann meist noch nicht verständlich. Die hohen Deviseneinnahmen aus Foto- und Jagdtourismus fließen je nach Wirtschaftssystem teilweise den Jagdführern oder ganz dem Staat zu. Er selbst wohnt am Rand des Nationalparks und hungert, weil er seine Shamba [Ackerfläche] nicht dorthin ausdehnen darf. Soll er hungern, nur weil einige Europäer Elefanten sehen wollen?“ (ebd.)
Beim einfachen Afrikaner kommt also nichts an von dem „großen Geld“. Er wird verdrängt und muss sehen, wo er eine neue Existenz aufbauen kann. Kalchreuter nennt verlockende Perspektiven:
„Die aus der Agrarwirtschaft entbundenen [!] Menschen könnten [!] Arbeit finden im Nationalpark, nicht nur in der Verwaltung, sondern auch im Straßenbau, in Hotels und Souvenirläden“ (ebd.) oder auf den „sehr komfortabel ausgerüsteten Safaris als Chauffeure, Köche, Abhäuter und zunehmend auch als Jagdführer, ‚Professional hunter‘ genannt“ (a. a. O., S. 79).
Ein Beispiel aus Tansania:
„Der Jagdgast aus Europa wird auf mustergültig angelegten Pirschwegen durch den märchenhaften Bergwald geführt zu Hochsitzen, so perfekt und komfortabel, daß sie selbst Altmeister Frevert zur Ehre gereichen würden. […] Der erfolgreiche Jagdtag endet im hochgelegenen romantischen Jagdhaus am flackernden Kaminfeuer, wo fröhliche schwarze Diener im grünen Livree Whisky servieren.“ (Kalchreuter, S. 58f) |
Walter Frevert (1897 – 1962) war ein prominenter Jäger, Forstbeamter und Jagdschriftsteller. 1933 trat er in die NSDAP und in die SA ein. Besondere Verdienste erwarb er sich als Görings Helfer, der sich das traditionelle Jagdgebiet der polnischen Könige und russischen Zaren von Bialowies angeeignet hatte und die Jagdfläche verdoppeln wollte. Dafür wurden 116 Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, 900 Menschen erschossen und 7000 Menschen deportiert – Natur pur eben. Nach 1945 setzte Frevert seine Karriere in der BRD fort. Freverts „Bücher sind bis heute Bestseller und gelten als Klassiker der deutschen Jagdliteratur, die Generationen von Jägern geprägt haben.“(http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Frevert, 7. Juli 2021) |
„Luxushotels neben Wellblechhütten“ erblickte Dr. Kalchreuter Anno 1977, als er den Jagdtourismus anpries. Tatsächlich sind drei Top-Destinationen des Jagdtourismus – Namibia, Botswana und Republik Südafrika – heute die drei Länder auf der Welt mit der höchsten Ungleichheit in der Einkommensverteilung, d. h. einer winzigen Minderheit gehört alles, dem Rest gehört nichts (Grafik bei Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Datei:2014_Gini_Index_World_Map,_income_inequality_distribution_by_country_per_World_Bank.svg). Ein Drittel der Bevölkerung ist arbeitslos, zwei Drittel arbeiten für einen Hungerlohn, so auch die Jagdknechte auf den Jagdfarmen. In der 6. Auflage von „Die Sache mit der Jagd“ nennt Dr. Kalchreuter auf S. 519 eine Zahl für Namibia: „Die Wildbewirtschaftung garantiert insgesamt etwa 3000 Arbeitsplätze“ (Stand von 1999). Unvorstellbar: 3000!
Zwei Fotos zur Veranschaulichung:
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So leben die Nachfahren der Ureinwohner Namibias (Mondesa bei Swakopmund, 2006) Quelle:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/ac/Mondesa_Township_-_%28greg-willis.com%29_-_panoramio_-_Greg_Willis.jpg/320px-Mondesa_Township_-_%28greg-willis.com%29_-_panoramio_-_Greg_Willis.jpg |
So wohnen Jagdgäste in Namibia (Jagdfarm Neuhof, 2017). Quelle:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/36/Guest_farm_Neuhof_%28Namibia%29.jpg/320px-Guest_farm_Neuhof_%28Namibia%29.jpg |
Die einfache Bevölkerung in Afrika profitiert von der Jagd genauso wenig wie die Bevölkerung in Deutschland. Am Beispiel Namibia: Das Wild sei im 19. Jh. „als Nahrungskonkurrent für das Vieh und als billige Fleischquelle für Hottentotten und Hunde gnadenlos verfolgt und in vielen Teilen ausgerottet“ worden (Kalchreuter, 1. Aufl., S. 85). 1969 setzte laut Kalchreuter der Umschwung ein, als das ursprünglich herrenlose Wild zum Eigentum der Farmer, also der überwiegend weißen Grundeigentümer, erklärt wurde. Die Ureinwohner wurden zu Wilderern gemacht und mit Gefängnis bedroht.
Angela Graas-Castor berichtet in ihrem Dokumentarfilm „Im Auge des Löwen“ (Youtube) über die Lage der San (Buschmänner), die zu den Ureinwohnern von Namibia zählen: einige San sind heute noch Sammler und Jäger, sie leben von der Jagd. „Wenn wir nicht jagen, hungern wir.“ Sie dürfen aber keine Elen-Antilopen jagen, früher ihre wichtigste Fleischquelle. Diese sind von der Regierung für die Jagdtouristen aus dem Ausland reserviert. Die San haben für die Trophäenjäger, die nur die Hörner der Antilopen mitnehmen, kein Verständnis: „Sie essen noch nicht einmal das Fleisch der Tiere.“
Zu den tausendmal wiederholten Rechtfertigungen der modernen Jagd gehört: Jagen ist normal, Jagen ist natürlich, die gesamte Menschheit hat doch als Jäger und Sammler angefangen.
Soweit korrekt – aber sind die europäischen und nordamerikanischen Jäger etwa auf dem Niveau von Steinzeitmenschen steckengeblieben?
Die deutsche Jägerin Manuela Kern gibt klare Auskunft, was sie 2015 in Namibia töten wollte und warum:
„Jagen wollte ich auf das Standardwild in Namibia, Kudu, Oryx und Springbock, sowie Hartebeest, Weißwedel Gnu und Blessbock, vor allen die letzten Beiden, da ich diese noch nicht in meinem Jagdzimmer hängen habe.“ (deutsches-jagdportal.de, abgerufen 9.4.2024, Rechtschreibung wie im Original)
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Jägerin mit selbst erschossener Elenantilope (Eland) auf einer Jagdfarm in Namibia, 2017 Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/73/Hunt_on_hunting_farm.jpg/320px-Hunt_on_hunting_farm.jpg |
Einheimischer Jäger im benachbarten Botswana, 2017 Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/3/3a/Bushmen_hunters_%28cropped%29.png/204px-Bushmen_hunters_%28cropped%29.png |
Nicht lustig: „Safari“, Dokumentarfilm von Ulrich Seidl über österreichische Jagdtouristen in Namibia (YouTube)
„Ich kannte Jäger, die Tiere erlegen, aber nicht Paare und Familienmitglieder, die einander um den Hals fallen, sich küssen und gegenseitig gratulieren, nachdem sie ein Tier geschossen haben. Der Akt des Tötens scheint für sie eine Art emotionale Befreiung zu sein. Der Film ist damit auch ein Film über das Töten geworden. Töten als Lust, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten.“ (Seidl, ulrichseidl.com)
Im südlichen Afrika wurde 2011 die „Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area“ (KAZA) gegründet. Dafür wurden bestehende staatliche Schutzgebiete, aber auch private, kommerzielle Jagdfarmen zusammengelegt. Das Schutzgebiet ist das zweitgrößte Wildreservat der Erde und erstreckt sich über Teile der Staaten Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe.
„Zu Beginn des dritten Jahrtausends wurden sie [die San] aus ihrem angestammten Territorium [in Botswana] ausgesiedelt. Das geschah unter dem Vorwand des Naturschutzes und der wirtschaftlichen Erschließung durch Ökotourismus. Erst in einem langjährigen Rechtsstreit erkämpften sich die Betroffenen im Jahr 2006 ein Rückkehrrecht in das heiß umkämpfte Land ihrer Vorfahren. Sie wollen als legitime Besitzer ihrer Jagdgründe anerkannt werden. Doch die Jagd ist ihnen bis heute untersagt.“ (Das umstrittene Wildreservat in der Kalahari, 3Sat, 9.12.2024)
Auch Diamanten spielen eine Rolle. Im vorigen Jahr wurde hier der zweitgrößte Diamant der Welt gefunden. Er gehört nicht den San, sondern einem Unternehmen aus Kanada.
Der Caprivi-Streifen (Zambezi-Strip), der zu Namibia gehört, liegt ebenfalls im KAZA-Schutzgebiet. Hier leben seit Jahrtausenden die Khwe, ein Volk von Jägern und Sammlern. Thaddäus, ihr Häuptling, sagt: „Wir dürfen nicht jagen, und wir dürfen uns auch nicht mehr als 5 km von unserem Haus [Hütte] entfernen.“ Sonst wird man von der Anti-Wilderei-Einheit erschossen. „Wir haben noch nie so gehungert wie heute.“ Die Khwe dürfen sich nur noch am Rande des Schutzgebietes aufhalten (Hannah goes wild. Trophäenjagd – das Geschäft mit den Wildtieren, ARD-Mediathek, Sendedatum 7.9.2022).
Die oben erwähnte Organisation African Parks, gegründet vom niederländischen Milliardär und Jäger Paul van Vlissingen, scheint dabei ganz groß mitzumischen.
„«African Parks» verwaltet eine Fläche von der Größe Großbritanniens und hat sich in Afrika von zwölf Staaten Hoheitsrechte übertragen lassen. Die Organisation unterhält bewaffnete Kräfte mit weitgehenden Befugnissen zum Schutz der Gebiete – vor Terroristen, vor Wilderern und vor der Bevölkerung. Einheimische dürfen das von ihnen traditionell genutzte Land nicht mehr betreten, es kommt zu Folter und Vergewaltigung. Der Safari-Tourismus, Spenden von Milliardären und westlichen Regierungen, auch der deutschen, bringen reiche Einnahmen. An der Spitze steht eine weiße Elite, die alles daransetzt, nur schöne Bilder von Großwild und intakter Natur nach außen dringen zu lassen.“ (Der Beck-Verlag (München) über sein Buch: Olivier van Beemen, 'Im Namen der Tiere'. Wie eine NGO große Teile Afrikas beherrscht, 2024)
Diese Milliardäre lassen sich gern als „Philanthropen“ bezeichnen.
Andreas Eckert (FAZ, 22.10.2024) berichtet: Wer im Marakele-Park (Limpopo, Südafrika), einer von 22 Parks der Organisation, übernachten und Elefanten, Löwen und Nashörner beobachten wolle, die van Vlissingen dort hat aussetzen lassen, müsse „etwa dreitausend Euro für einen Aufenthalt von zwei Nächten in einem Zweipersonenzelt hinblättern“.
„Die einheimische Bevölkerung wartet bis heute auf den prophezeiten Wohlstand durch Tourismus und ist zugleich von den Ressourcen der Parks abgeschnitten. […] Die Militarisierung des Naturschutzes hat dazu geführt, dass in manchen afrikanischen Ländern Wildhüter besser ausgestattet sind als die Soldaten der regulären Armee.“ (Eckert)
Zeltlager im Marakele-Nationalpark
Foto aus der englischsprachigen Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Marakele_National_Park
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2025-04-04