Nazis, Naturschutz, Rekordhirsche

Auf Hamburger Stadtgebiet, im Duvenstedter Brook, leben ein Damwildrudel und ein Rotwildrudel mit weltrekordartigen Geweihen. Das hat nicht etwa die Natur so gewollt, sondern ein Nazibonze:

„Es war der Reichsstatthalter Hamburgs, Karl Kaufmann, der das Kerngebiet des Brooks 1939 zum ersten Hamburger Naturschutzgebiet erklärte – nicht etwa, weil er ein Verfechter des Naturschutzes war, sondern weil er es auf diese Weise besser in seine private Verfügungsgewalt bringen konnte.” (Wild und Hund, Heft 3/2003, S. 18)

Vorher war der Duvenstedter Brook Weideland der Bauern.

„Kaufmann war – ähnlich wie Göring – ein leidenschaftlicher Jäger. Was für Göring Rominten [in Ostpreußen, hier jagte schon Kaiser Wilhelm II., hier erschoss er seinen zweitausendsten Hirschen] war, sollte für Kaufmann das Duvenstedter Brook werden.” (ebd.)

Obwohl im Naturschutzgebiet nur Land- und Forstwirtschaft, aber keine Jagd erlaubt war, und jegliche sonstige Bodenbearbeitung sowie Veränderung der Tier- und Pflanzenwelt verboten war, ließ Kaufmann ein 250 Hektar großes Gebiet zwei Meter hoch einzäunen. Über Carl Hagenbeck und einen Ulmer Tierhändler ließ er Rothirsche aus Schlesien, Polen und Ungarn sowie Damtiere einkaufen und dort aussetzen.

„Alle anfallenden Kosten gingen zu Lasten der Hamburger Steuerzahler. Für die Bevölkerung war das Gebiet allerdings von nun an tabu.” (ebd.)

Aus den einst 18 ausgesetzten Tieren sind heute rund 100 Rothirsche und rund 140 Damtiere geworden.

Das Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook ist für seine „Rekordhirsche” als „Wiege der Giganten” unter bundesdeutschen Jägern bekannt und begehrt. Sie schwärmen davon, „was uns die Natur ohne Zufütterung von Sesamkuchen und anderen Wundermittelchen geschenkt hat” (Wild und Hund, Heft 3/2003, S. 3). So wurde dort im Sommer 2003 ein Hirsch mit dem prächtigsten Geweih Deutschlands aller Zeiten erschossen. Das löste eine Wallfahrt von Jägern aus, die „beeindruckt die starken Stangen eines Rothirsches umfassen” wollten, wie sie das Land noch nicht gesehen hatte, und man fachsimpelte darüber, ob das tote Tier wohl eher der ungarischen oder einer anderen Blutlinie angehörte (ebd.).


Hitler hatte für seine jagenden Parteigenossen nur Spott übrig.

Aus W. Jochmann (Hg.):

Adolf Hitler, Monologe im Führerhauptquartier 1941-44

28.10.1941, abends

„Ich habe nichts dagegen, wenn man das Wild schießt. Ich sage nur, das ist ein trauriger Sport. Das Anständigste bei der Jagd ist das Wild, das Zweitanständigste der Wilderer: der setzt wenigstens sein Leben ein. Der Müller, diese armselige Mißgeburt der Natur, geht auf ein Reh los! Der Unterschied ist doch zu groß zwischen einem Repetiergewehr und einem Hasen: Der Hase hat sich nicht weiterentwickelt seit dreitausend Jahren! Wenn Müller sich den Hasen fangen müßte, dann würde ich ihm die schönste Prämie geben.

Man täusche sich nicht: Die Jagd ist nicht populär! Ginge ich zur Jagd, das würde mir in den Augen meiner Anhänger mehr schaden als eine verlorene Schlacht!”

30.10.1941, mittags

„Zu Gruppenführer Wolff, der von der Fasanen- und Hasenjagd zurückgekommen ist, welche der Außenminister in Gegenwart des RFSS [Himmler], des Reichsfinanzministers und anderer Herren dem Grafen Ciano im Sudetenland veranstaltet hat:

F.: Was habt Ihr nun da geschossen, Adler, Löwen?
W.: Nein, ganz gewöhnliche Karnickel.
F.: Das wird eine Freude sein jetzt unter den Karnickeln: Die Luft ist rein!
General Jodl: Fällt das alles unter den Begriff Wild?
W.: Ja!
Jodl: Das müßte eigentlich zahm heißen!
F.: Habt Ihr mit den Explosivgeschossen gearbeitet?
W.: Nein, nur mit Schrot.
F.: Habt Ihr Treiber auch angeschossen?
W.: Nein, nichts bekannt!
F.: Auf Partisanen kann man niemand von Euch ansetzen?
W.: Der Reichsaußenminister würde das als Einladung zu einem Frontkommando sicher sofort angenommen haben!
F.: Wieviel hat nun Ciano geschossen?
W.: 400!
F.: Nur 400? Wenn er in seinem Leben nur einen Bruchteil davon als Flieger abgeschossen hätte! Damit war die Jagd zu Ende?
W.: So eine Jagd ist furchtbar nett: man wird aus der Arbeit und den Sorgen einmal ganz herausgelöst!
F.: Muß man zu dem Zweck Hasen und Fasanen umbringen? Die Mordlust bringt die Männer zusammen! Wie gut, daß wir die Hasensprache nicht verstehen! Die würden vielleicht in Ausdrücken von Euch reden wie: Laufen konnte er so nicht, das dicke Schwein! So ein alter Hase mit reifer Lebenserfahrung! Die größte Freude unter den Hasen wird sein, wenn sie merken, daß ein Treiber angeschossen ist!”

Anm.: Conte Ciano, Schwiegersohn Mussolinis, ital. Außenminister bis 1943, am Krieg gegen Äthiopien als Flieger beteiligt, 1944 von Mussolini zum Tode verurteilt und hingerichtet

Damals gab es noch keinen Wald-Wild-Konflikt…

Die Jägerlobby war im NS-System so mächtig, dass sogar im Kriegswinter 1942-43 Hafer zur Fütterung der Hirsche abgezweigt wurde, der eigentlich als Kindernahrung hätte dienen sollen.

Hermann Göring war alles in einer Person: Reichsjägermeister, Reichsforstmeister und Beauftragter für den Naturschutz.

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Namensnennung: Bundesarchiv, Bild 146-1979-145-04A / CC-BY-SA

Fortsetzung nach 1945

Hamburger Abendblatt, 16. März 1965:

„Rund 60 Zentner Bananen sind am Wochenende im Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook vom Forstamt abgeladen worden. Inzwischen hat sich Rot- und Damwild darüber hergemacht. Es 'verputzt' die Früchte mit der Schale. Die grünen Bananen sind Abfall von Schiffsladungen, die im Hamburger Hafen ankommen. Bundesfinanzminister Dr. Rolf Dahlgrün, selbst passionierter Weidmann, hat auf Anregung des Hamburger Forstamtes dafür gesorgt, daß diese Bananen für die Wildfütterung aus dem Freihafen herausgeholt werden dürfen. Bis vor einiger Zeit hatte der Zoll verlangt, daß Bananenabfall mit Ätzkalk ungenießbar gemacht werden mußte. Die Kälte ist jetzt zwar vorüber, aber das Wild leidet trotzdem noch Not. Es vergehen noch einige Wochen, bevor das frische Grün sprießt. Damit die starken Hirsche die Jungtiere nicht vertreiben können, wird im Brook für den nächsten Winter ein 'Kälberstall' gebaut. Es handelt sich um einen umzäunten Futterplatz. Jungtiere können durch die Gatterstangen schlüpfen.”

Anm.: Der deutsche Zoll untersteht dem Bundesfinanzminister.

Stallhaltung für Hirsche
(Abbildung aus: Jürgen Schulte, Der Jäger. Lehrbuch für die Jägerprüfung, Verlag Eugen Ulmer, 3. Auflage 1998, S. 292)

„Unser Jagdgesetz wird am 3. Juli 90 Jahre alt“

„Ein Kommentar von Helena von Hardenberg, Redaktionsleiterin Niedersächsischer Jäger | 21. Juli 2024“

Da reibt man sich wirklich verwundert die Augen: 78 Jahre nach Hermann Görings Selbstmord, 91 Jahre nach Hitlers Machtergreifung, exakt 80 Jahre + 1 Tag nach einem misslungenen Attentat auf Hitler — ein Loblied auf das Reichsjagdgesetz von 1934, das auch heute noch „Unser“ sein soll! Die junge Dame lässt also durchblicken, dass das Bundesjagdgesetz von 1952 im Großen und Ganzen vom Reichsjagdgesetz abgeschrieben worden ist. Zum Glück fällt ihr doch noch ein, sich pflichtschuldigst ein paar relativierende Worte aus der Feder zu quälen mit der Aussage, dass nicht alles gut war im Dritten Reich:

„Doch die Zeiten, in denen ein einheitliches Jagdgesetz für unser Land entstand, waren nicht nur zu dessen Wohl.“ (Hardenberg, pirsch.de)

„Unser Land“ war nämlich hinterher etwas kleiner statt größer.

Früher witzelte man: „Blut und Loden“.

Um die Debatte zu versachlichen, folgt hier die Präambel des ℜ𝔢𝔦𝔠𝔥𝔰𝔧𝔞𝔤𝔡𝔤𝔢𝔰𝔢𝔱𝔷𝔢𝔰:

Die Liebe zur Natur und ihren Geschöpfen und die Freude an der Pürsch in Wald und Feld wurzelt tief im deutschen Volk. Aufgebaut auf uralter germanischer Überlieferung, hat sich so im Laufe der Jahrhunderte die edle Kunst des deutschen Waidwerks entwickelt. Für alle Zukunft sollen Wild und Jagd als wertvolle deutsche Volksgüter dem deutschen Volk erhalten bleiben, die Liebe des Deutschen zur heimatlichen Scholle vertiefen, seine Lebenskraft stärken und ihm Erholung bringen von der Arbeit des Tages.

Die Pflicht eines rechten Jägers ist es, das Wild nicht nur zu jagen, sondern auch zu hegen und zu pflegen, damit ein artenreicher, kräftiger und gesunder Wildstand entstehe und erhalten bleibe. Die Grenze der Hege muß freilich sein die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Landeskultur, vor allem der Landwirtschaft und Forstwirtschaft.

Das Jagdrecht ist unlösbar verbunden mit dem Recht an der Scholle, auf der das Wild lebt und die das Wild nährt. Die Ausübung des Jagdrechts aber kann nur nach den anerkannten Grundsätzen der deutschen Waidgerechtigkeit zugelassen werden. Treuhänder der deutschen Jagd ist der Reichsjägermeister; er wacht darüber, daß niemand die Büchse führt, der nicht wert ist, Sachwalter anvertrauten Volksguts zu sein.

Dem deutschen Volk ein einheitliches Jagdrecht zu geben, das diesen Grundsätzen entspricht, ist die Aufgabe des neuen Reichs. Es erfüllt diese Aufgabe durch das Reichsjagdgesetz.

Quelle: Reichsgesetzblatt 1934, Teil 1, Nr. 73, S. 551

 


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2025-09-22