Jägerlatein auf dem Prüfstand

Pferd, Jagd und Wild — Dichtung und Wahrheit

Immer mehr Reiter finden Gefallen daran, in der freien Natur zu reiten. Und immer mehr Jäger bevölkern den Wald. Die Jäger fühlen sich gestört und wehren sich. Es ist an der Zeit, die Märchen, die die Jäger über ihr blutiges Hobby verbreiten, zu überprüfen. Der folgende Artikel beruht auf Erfahrungen im Landkreis Celle (Lüneburger Heide). Ähnlichkeiten mit anderen Gegenden Deutschlands wären rein zufällig.

Jagd: ein Geschäft mit dem Vergnügen am Töten

Jagen ist ein Freizeitvergnügen. Von den rund 400 000 deutschen Jägern betreiben nur etwa eintausend das Jagen als Beruf.

Jagen ist ein teures und exklusives Hobby. Nicht nur Waffen und sonstige Ausrüstung sind teuer. Jagen darf nur, wer ein eigenes Revier besitzt, sei es als Grundeigentümer, sei es als Jagdpächter. Da es siebenmal so viele Jäger wie Reviere gibt, gehen die Jagdpachtpreise in die Höhe. In Spitzenlagen werden um 150 Euro pro Hektar gezahlt, und ein Jagdrevier muss mindestens 75 ha groß sein. Für Land- und Forstwirte mit eigenem Revier eine attraktive, zum großen Teil unversteuerte Nebeneinnahme.

Tönnies, das Bauamt von Rheda-Wiedenbrück und die Jagd

„Im Sommer 1998 erklärte der Dezernent [des Bauamtes], er fahre gern zusammen mit Tönnies zu dessen Jagdhütte ins Sauerland und auch mal auf Jagdreisen nach Simbabwe. 'Dort habe ich den Büffel, die Antilopen, die Hyäne und den Warzenschweinkeiler erlegt', gab er in einem Protokoll bekannt, das der SZ vorliegt. Mit dem Ehepaar Tönnies sei er privat befreundet.“ (Süddeutsche Zeitung (SZ), 21.7.2020, S. 3, Autorin: Kristiana Ludwig).


Aber auch als Revierpächter kann man noch Profit erwirtschaften und die Nachfrage nach Jagdgelegenheiten in klingende Münze verwandeln: Man kann Jagderlaubnisscheine (eine Art von Unterpacht) ausstellen, wobei jeder einzelne so viel Geld einbringen kann, wie das ganze Revier gekostet hat. Man kann eine unbegrenzte Anzahl von zahlenden Jagdgästen einladen. Man kann einen Hochsitz für eine Nacht vermieten. Man kann Wildschwein und Hirsch für viele tausend Euro einzeln zum Abschuss verkaufen. Man kann sich Freunde unter Parlamentariern, Geschäftspartnern und anderen „Entscheidungsträgern“ schaffen, wenn man sie aus lauter Großzügigkeit kostenlos zur Jagd einlädt.

Besonders geschäftstüchtige Jäger pachten gleich mehrere Reviere bis zur gesetzlich erlaubten Höchstgrenze von zusammen 1000 ha und über Strohmänner noch darüber hinaus. Damit das Geschäft so richtig blühen kann, gibt es in Niedersachsen keine Grenzen mehr, wie viele zahlende Jäger sich in einem Revier tummeln dürfen.

Verständlich, dass man unter den Jägern so viele Geschäftsleute, Rechtsanwälte, Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Offiziere, Politiker und sonstige Besserverdiener findet. Diese kommen aus den Großstädten und sogar aus dem Ausland über Hunderte von Kilometern angereist und haben vor Ort einen Jagdaufseher, ohne den sie das Wild nicht finden würden. Es sind Sonntagsjäger im reinsten Wortsinn.

Zu viel Wild, weil zu viele Jäger

Die Jäger berufen sich gern auf ihren gesetzlichen Auftrag. Der besteht einerseits darin, die Wildbestände so zu begrenzen, dass die Schäden, die das Wild im Wald und auf Äckern und Wiesen anrichtet, gering bleiben. Merkwürdig ist nur, dass sie für ihren Dienst kein Geld einfordern, sondern im Gegenteil dafür noch draufzahlen.

Der andere gesetzliche Auftrag besteht darin, dass die Jäger das Wild nicht nur töten sollen, sondern zugleich durch dessen Hege für einen „artenreichen und gesunden Wildbestand“ sorgen sollen (Bundesjagdgesetz §1).

In der Praxis vergessen die Jäger den ersten Teil des Auftrags und widmen sich um so mehr dem zweiten Teil:

Zwar bestimmten die Hegerichtlinien des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums von 1986: „An den Begriff der Notzeit sind strenge Maßstäbe zu legen. Die Wildfütterung sollte stets nur Überbrückung eines Nahrungsengpasses sein und darf nicht dazu dienen, den Wildbestand zu erhöhen“, aber die Jagdbehörden dulden die gegenteilige Praxis weitgehend, weil sie fest in der Hand der Jäger sind. Das gilt auch für den anderen Satz: „Um dem Wild die ungestörte Nahrungsaufnahme auf den Wildäsungsflächen zu ermöglichen, sollten diese — soweit die Abschußerfüllung nicht darunter leidet — von der Bejagung ausgenommen werden.“ Kein Wildacker, an dem nicht mindestens ein Hochsitz steht — sonst wäre der Aufwand doch umsonst!

Hege ist Produktion von Jagdvieh

„Von jeher waren die Jäger bemüht, Wild zu hegen, also dessen Dichte zu steigern, um ihre Jagd erfolgreicher zu gestalten.“ So schnörkellos drückt sich der Jäger Dr. Heribert Kalchreuter aus. Dass er seinem Aufsatz die Überschrift „Der Jäger als Ökologe“ gegeben hat, beweist nur, dass auch die Jäger mit der Zeit gehen (Der Jäger als Ökologe, in: Kurt G. Blüchel (Hg.), Die Jagd, Könemann-Verlag 2004, S. 500).

Hier wurden im Herbst mehrere Wagenladungen Kartoffeln abgekippt. Nun, im März, faulen sie vor sich hin. Solche Haufen findet man auch in Wasserschutzgebieten.

oben: Futterraufe für Rothirsche im Naturpark Südheide, rechts unten: Futterraufe für Rehe

Wildschwein am Kartoffelhaufen
Zeitschrift „Jäger“ Nr. 5, Mai 2000, S. 14
Das Bild stand neben dem Leserbrief eines Jägers, in dem er erzählte, in seinem Revier läge eine halbe Tonne Rüben.

Die Waidmänner betreiben die Verhausschweinung des edlen Hirsches, um immer prächtigere Geweihe zu „ernten“. „Berühmt durch seine Fütterungsversuche an Rot- und Rehwild wurde Geheimrat Vogt mit seinem Gatter Schneeberg. Hier wurden durch Kraftfuttergaben besonders starke und endenreiche Geweihe erzielt.“ (Oberforstmeister Wilhelm Koch, Die Jagd in Vergangenheit und Gegenwart, Kosmos-Verlag 1961, S. 44) Auf Trophäenschauen — „Beweisstücke für die Stärke des überwundenen Gegners“ (Koch, S. 30) — präsentieren sie sich stolz die Fortschritte ihrer Zucht- und Mastbemühungen.

„Rotwildtrophäen in noch nie dagewesener Qualität erfreuten die Jäger und Jagdkundige an den Stellwänden im Bergener Stadthaus. Selbst über zehn Kilogramm schwere Geweihe waren dort zu sehen.“ (Text und Bild: Cellesche Zeitung (CZ), 3. März 2006, Fotograf: Peter Müller)

„Die Trophäe wird zum Objekt der Renommiersucht.“ (Kalchreuter, Die Sache mit der Jagd, BLV-Verlag, 1. Aufl. 1977, S. 63)

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[Die Rede ist vom Geweihgewicht der zum Töten angebotenen Hirsche.]

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Wildschweine: „Des Jägers liebste Beute“ (Wild und Hund)

Die Hegerichtlinien sagten 1971: „Eine weitere Erhöhung des Schwarzwildbestands [Wildschweine] ist nicht vertretbar.“ Seitdem ist der Bestand explodiert. 15 Jahre später stellten die Hegerichtlinien fest: „Das Schwarzwild hat sich in den zurückliegenden Jahren in zunehmendem Maße ausgebreitet. Ein zu hoher Schwarz­wild­bestand ist nicht vertretbar. Bereitschaft der Jagdrevierinhaber zu großzügigen Wild­schadens­regelungen im Einzelfall darf nicht zur Duldung untragbarer Wilddichten führen.“ Die Jäger sehen das anders; sie greifen einerseits zum Scheckheft — aber nur, wenn der Bauer nicht locker lässt — und andererseits zu dem unwaidmännischen Mittel des Elektrozauns, um die Wildschweine von Kartoffel- und Getreideäckern fernzuhalten. Weil die Wildschweine auf der Suche nach Insektenlarven Wiesen zerwühlen, bekämpfen die Jäger lieber die Insekten mit Gift anstelle der Schweine.

„Keine Wildart lässt sich so gut bewirtschaften wie das Schwarzwild. Keine bietet so schnell reiche Ernte, wenn man es richtig macht.“ (Deutsche Jagd-Zeitung (DJZ) 10/2012, S. 34, Parey-Verlag)
„Klar, Sauenjagd ist ein echter Spaßfaktor.“ (ebd., S. 3, Autor: Rakow, Chefredakteur der DJZ)

Wildschweinwühlstelle: Bauer verärgert, Jäger erfreut
rechts: Elektrozaun an einem Maisacker gegen Wildschweine

„[…] der Zaun, der sicherste Wildschutz, der aber auch gleichzeitig dem Wild sämtliche Äsung auf der eingezäunten Fläche nimmt, also vom jagdlichen Standpunkt aus – von Sonderfällen abgesehen – nicht gebilligt werden kann.“ (Raesfeld/Frevert, Das Deutsche Waidwerk, Parey-Verlag, 7. Auflage 1955, S. 431)

Dieser Mais wurde bei der Ernte für die Wildschweine ausgespart:

Je mehr Jäger, desto mehr Wild, denn alle wollen schießen. Die Bestände von Rothirsch, Reh, Wildschwein a. u. betragen ein Vielfaches dessen, was von Wissenschaft, Land- und Forstwirtschaft als tragbar angesehen wird. Sie sind weit höher, als es in einer vom Menschen unbeeinflussten Naturlandschaft jemals möglich wäre. Die Jäger jubeln:

„Obwohl in der Bundesrepublik jeden Tag die Fläche eines Bauernhofes von ca. 100 Hektar für Straßen, Fabriken und Bauplätze geopfert wird, gebe es mehr Wild als je zuvor in der Geschichte unseres Vaterlandes.“ (Bericht über die Jahreshauptversammlung der Rotwild-Hegegemeinschaft Lachtetal, Mitteilungsblatt der Samtgemeinde Lachendorf, Juni 1996, S. 71)

Fleißig gründen sie Rotwild-Hegegemeinschaften, denn sie beklagen, dass auf „nur“ 12% der Fläche Deutschlands Hirsche leben; nach ihrer bescheidenen Meinung sollten es 25% sein (CZ, 2. März 2002). Zur Zeit müssen sich 400 000 deutsche Jäger um die 70 000 tote Hirsche teilen. Dabei hat doch jeder Jäger ein unveräußerliches Menschenrecht auf seinen jährlichen Zwölfender. Um einen prächtigen Geweihträger („reifer Erntehirsch“) heranzuhegen, braucht man 70 bis 100 Tiere als Zuchtbasismaterial. — In den Hegerichtlinien war zu lesen: „Eine Ausweitung der vorhandenen Rotwildgebiete oder die Gründung neuer ist aus landeskulturellen Gründen nicht vertretbar.“

In ihrer Verblendung können die Jäger nicht einmal mehr zwischen Natur und Kultur unterscheiden: „Das Rotwild als Kulturgut erhalten!“ heißt eine ihrer Forderungen. Das klingt so, als ob die Hirsche vom Aussterben (oder wissenschaftlich verbrämt: von „genetischer Verarmung“) bedroht seien. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Im Kreis Celle z. B. haben sich die Abschussergebnisse seit 1940 mehr als versiebenfacht, so der damalige Vorsitzende der Kreisjägerschaft, Dr. Menzel, in seinem Buch „Das Celler Land. Landschaftspflege und Naturschutz“, Celle 1988, S. 34.

„Aber diese Entwicklung ist nicht nur für den Landkreis Celle typisch: Seit etwa drei Jahrzehnten können wir in ganz Europa eine fast explosionsartige Ausbreitung des Rotwildes feststellen. Dabei wurde ihm schon vor dem Ersten Weltkrieg das Ende in freier Wildbahn prophezeit.“ (Menzel, S. 35)

Der Grund der Schwarzmalerei liegt wohl eher darin, „dass das Interesse an der Hirschjagd eine gewaltige Zahlungsbereitschaft auslöst“, so Forstdirektor Bartmann aus Rheinland-Pfalz (Die Pirsch/Der Deutsche Jäger, Magazin für Jagd — Wild — Natur, Heft 25/2000, S. 9-12). Menschlich nur allzu verständlich wäre es, wenn staatliche Forstbeamte einen Teil dieser Zahlungsbereitschaft in ihr privates Portemonnaie umleiten würden.

Um letzte Zweifel daran zu beseitigen, dass das Wild in Deutschlands Wäldern Nutzvieh ist, heißt es in der Begründung zum niedersächsischen Jagdgesetz:

Die Jagd ist „vor allem die Wildbewirtschaftung, also ein Wirtschaftszweig der Land- und Forstwirtschaft mit eigener Nutzung.“ (Nds. Landtag, Drucksache 14/1965, November 2000)

Vor dieser postmodernen Neudefinition der Jagd erscheint das Folgende als hoffnungslos veraltet:

„Der Ertrag der Ernten wird sehr oft durch Thiere empfindlich geschädigt und es ist wichtig und nothwendig, diese Feinde zu kennen, um ihnen erfolgreich entgegen treten zu können. Unter den vierfüßigen Thieren thut das Wild — Hirsche, Rehe, Hasen, Sauen [Wildschweine] — vielen Schaden, besonders in der Nähe von Waldungen; Scheuchen, Umdornen der Bäume, Hütung, Bestreichen von Pfählen mit starkriechenden Salben helfen nur wenig, wenn eine unvernünftige Hegung das Vergnügen des Einzelnen über das Bedürfnis des Ganzen setzt.“ (Dr. Wilhelm Hamm, Das Ganze der Landwirthschaft, Leipzig 1872, S. 132)

Streckenergebnisse BRD 1960 — 1991

in relativen Größen (1968 = 100%)

Quelle: DJV-Handbuch Jagd 1993 (DJV: Deutscher Jagdverband e.V.). In derselben Zeit verdoppelte sich die Zahl der Jäger fast. Zur Kontrolle die absoluten Zahlen (alte Bundesländer):

Jagdjahr

1960/61

1968/69

1991/92

Damwild

k. A.

6 674

15 576

Rehwild

540 213

572 020

772 419

Rotwild

24 011

26 768

29 517

Schwarzwild

16 984

23 897

175 469

Ein Jagdjahr erstreckt sich vom 1. April bis zum 31. März des folgenden Jahres.

 

Wilddichte in den Alpen — Schätzungen

Quelle: Wald und Wild, Seminar des internationalen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten vom 28.8. bis 2.9.1972 in Zürich. Beiheft zu den Zeitschriften des Schweizerischen Forstvereins Nr. 52/1973, Hg.: Institut für Waldbau der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich

Tiere auf 100 ha

Rotwild

Rotwild

Rehwild

Jahr

Oberbayern

Österreich

Österreich

Naturzustand

0,5 - 1,0

0,75

1 - 2

1860

1 - 1,5

1

3 - 5

1910

2 - 4

2

5 - 8

1970

3 - 6

4

10 - 15

Um 1900 hatten die Jäger alle großen Raubtiere ausgerottet und begannen mit der Fütterung des Schalenwildes (Rehe, Hirsche, Wildschweine u. a.).

„Denn darüber muß sich jeder Jäger klar sein, im Urzustand, also dort, wo der Mensch das Leben in der Natur nicht beeinflußt hat, sind nur geringe Wildstände vorhanden. Raubwild und harte Winter, die nicht durch künstliche Fütterung gemildert wurden, sorgten dafür, daß keine Massenvermehrung eintrat.“ (Raesfeld/Frevert, S. 424)

Im selben Buch wird — schon 1955 — von einer starken Zunahme der Wildschweine berichtet:

„Das Schwarzwild hat sich nach dem letzten Kriege sehr stark vermehrt. Die Waffenlosigkeit der deutschen Jäger [auch diese aufrechten Deutschen mussten nach dem verlorenen 2. Weltkrieg die Waffen abgeben], mehrere milde Winter und Mastjahre bewirkten, daß Schwarzwild in Gebieten auftrat, in denen seit vielen Jahrzehnten diese Wildart fast unbekannt war. Die Schäden an landwirtschaftlichen Erzeugnissen stiegen ins Unerträgliche. Die geradezu feindselige Einstellung weiter Bevölkerungskreise gegen die gesamte Jagd ist in erster Linie auf diese übergroßen Schwarzwildschäden zurückzuführen. Die Wiederbewaffnung der Jägerei und einige schneereiche Winter werden aber sehr bald die im Interesse der Landwirtschaft notwendige Verminderung der Bestände herbeiführen […]“ (S. 30) — die Jäger wollten es anders:

„Diese Reduzierung der Zahl hat jedoch dort ihre Grenzen, wo die Möglichkeit der Bejagung aufhört, die Jagd wegen der Seltenheit des Wildes für den durchschnittlichen Jäger jeden Reiz verliert.“ (Koch, S. 47)


Quelle: aid infodienst e.V., Wildschäden am Wald, Bonn, 7. Auflage (Heft 1134/2002), S. 6

Naturschutz nach Jägerart: Schützen, um zu töten; töten, um zu schützen

Die Jäger nennen sich Naturschützer. Ständig führen sie ihre gesetzliche Verpflichtung, durch die Hege des Wildes für einen „artenreichen und gesunden Wildbestand“ zu sorgen, im Munde. Die Hälfte der jagbaren Tierarten ist jedoch ausgestorben oder steht auf der Roten Liste (z. B. Elch, Wisent, Luchs, Wildkatze, Fischotter, Auer-, Birk-, Reb-, Haselhuhn, Großtrappe, Adler, Falken), und das nach hundert Jahren waidmännischer Hege. So gesehen haben sie vollständig versagt.

Rote Liste: Jäger contra Naturschutz

„Von den Säugetierarten, die dem Jagdrecht unterliegen und auch bejagt werden, befinden sich 3 auf der 'Vorwarnliste', nämlich Wildkaninchen, Baummarder und Gämse. Der Iltis muss deutschlandweit erstmals als 'Gefährdet' eingestuft werden. Der Feldhase (Lepus europaeus), dessen Situation sich in Deutschland nicht verbessert hat, wird weiterhin als 'Gefährdet' eingestuft.“ (Rote Liste und Gesamtartenliste der Säugetiere (Mammalia) Deutschlands, Bundesamt für Naturschutz, Bonn – Bad Godesberg 2020, S. 46).

In Hessen sollen Rebhuhn und Feldhase eine ganzjährige Schonzeit erhalten, so wünscht es das Umweltministerium. Der Landesjagdverband behauptet, „dass wir es hier anscheinend ausschließlich mit ideologischen Gründen zu tun haben“„Affront gegen die Jägerschaft“. (pirsch.de, 25.6.2022)


Ein Beispiel: Hase und Rebhuhn werden immer seltener. Das ist in diesem Fall nicht allein Schuld der Jäger, sondern auch der profitorientierten Landwirtschaft mit Flurbereinigung (sog. Agrarsteppe oder maschinengerechte Landschaft), Monokultur und Chemieeinsatz, die selbstverständlich auch von den 3% der Jäger betrieben wird, die Landwirte sind. Als diskutiert wurde, den Hasen auf die Rote Liste der gefährdeten Arten zu setzen, sagte der damalige Landwirtschaftsminister und Jäger Karl-Heinz Funke (SPD): „Das, was auf die Rote Liste kommt, ist willkürlich. Und wenn dort etwas drauf ist, kommt es nie wieder runter.“ (CZ, 11. Mai 1998). Funke war jener Bundeslandwirtschaftsminister, der bis zu seinem Rücktritt behauptete, Deutschland sei frei von BSE.

Der Feldhase kam auf die Rote Liste, die Jäger schießen weiter hunderttausende Feldhasen tot.

2001 hat sich die Landesjägerschaft Niedersachsen e. V. (LJN) freiwillig verpflichtet, dort keine Waldschnepfen zu schießen, wo sowieso keine mehr sind — aber nur bis 2006 (ausführlich: Wie Jäger Rebhuhn und Schnepfe hegen).

Und noch ein Ergebnis erfolgreicher Hege: „Auch die Kaninchenvorkommen seien bis auf wenige Reste verschwunden“, hieß es auf der Trophäenschau 2005 für den Kreis Celle (CZ, 8. März 2005). Halb so schlimm: „Vor allem in den urbanen Bereichen findet es [das Kaninchen] noch Rückzugsgebiete und kommt somit [!] noch fast flächendeckend in Niedersachsen vor.“ (Nds. Landesjagdbericht 2004, S. 37)

Treibjagd Heinsberg-Erpen. Quelle: PETA Deutschland e. V.

„Nachhaltige Jagd“ auf Kaninchen

„Erfreulich gestaltete sich die Entwicklung der Jagdstrecken von Wildkaninchen“ (S. 82). „Jede Form der Nutzung von Wildtieren erfolgt im Rahmen der Nachhaltigkeit“ (S. 114).

„Diese Art ist vielfach ausgestorben oder vom Aussterben bedroht und eigentlich müsste darauf reagiert werden.“ (S. 121, Hervorhebung von mir, J. A.)

Natürlich nicht so, dass man die Tiere am Leben lässt!

Die niedersächsischen Jäger töteten im Jagdjahr 2007/2008 40 000 Kaninchen. Damit das fröhliche Töten weitergehen kann, fordern sie, das Bundesjagdgesetz (BJagd § 28) zu ändern, damit sie auch Kaninchen aussetzen dürfen.

(Zitate aus dem nds. Jagdbericht 2007.)

In Bezug auf eine Handvoll anderer Tierarten hat die Hege durchaus Erfolge vorzuweisen – aber welche!

„Wildschweine sind Allesfresser und zerstören Bruten am Boden; Rehe können bei massiertem Auftreten seltene Pflanzen gefährden.“ (DJV, Jagd heute, Bonn 1989, S. 50) Allerdings fressen Wildschweine auch Rehkitze … (Nds. Jagdbericht 2002, S. 14)
„In Brandenburg waren bei der Wiesenweihe Sauen für ein Viertel der Gelegeverluste verantwortlich, bei der Feldlerche zu einem Fünftel. Aus Thüringen ist bekannt, dass ein Drittel der Verluste an Auerhuhngelegen auf ihr Konto geht. Das wird keinen Jäger verwundern. Jeder weiß, dass Sauen weder an einem Junghasen vorbeiziehen noch an einem Bodenbrütergelege. Die Ergebnisse verschiedener Studien zeigen deutlich die Abhängigkeit solcher Gelegeverluste von der Schwarzwilddichte in dem betreffenden Gebiet. Die absoluten Verlustzahlen werden bei noch häufig vorkommenden Bodenbrütern kaum ernst genommen [echt cool!]. Wenn es sich aber, wie zum Beispiel beim Auerwild oder bei der Großtrappe, um inzwischen stark bedrohte Arten handelt, dann ist jedes durch Sauen zerstörte Gelege eines zu viel.“ (der jagende Prof. Pfannenstiel, Den Sauen zum Fraß, in: wildundhund.de, 14.9.2017).

Aussetzen von Wildschweinen in einem Natur- und Vogelschutzgebiet bei Wilhelmshaven

Bis 2015 war die Gegend an der Nordseeküste noch wildschweinfrei. Doch dann halfen die örtlichen Jäger Mutter Natur nach: Im Jahr 2015 oder 2016 setzten sie zehn Tiere im EU-Vogelschutzgebiet Voslapper Groden-Süd aus, und die Jagdstrecke sprang von null auf 60 im Jagdjahr 2019/20 hoch. Auch das Aussetzen von Wildschweinen ist zwar nach dem BJagdG §28 verboten, aber wir alle wissen: Seit der Diebstahl verboten ist, wird nicht mehr gestohlen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht in den Wildschweinen eine Gefahr für die Tier- und Pflanzenwelt, insbesondere für solche seltenen Vogelarten wie die Rohrdommel. Einer der Jäger wird nun angeklagt wegen Verstoß gegen Naturschutzvorschriften. Die Stadt Wilhelmshaven fordert von den Jägern die Ausrottung der Wildschweine. Die ziehen ihrerseits vor Gericht.

Die Jäger waren auch sonst fleißig: Sie legten künstliche Wildäcker im Schutzgebiet an und setzten auch Damtiere aus, die es dort noch nie gegeben hatte. Das wiederum ist nach BJagdG §28 nicht verboten.

(Quellen: ndr.de, 20.07.2023, landundforst.de, 21.07.2023)

Raubtiere: Gutes Wild und böses Wild

Zu den Raubtieren, die auch zum Wild gehören, könnten die Jäger sagen: Gut, dass es Euch gibt, denn Ihr nehmt uns Arbeit ab. Aber um Arbeit geht es ja überhaupt nicht. Deshalb sehen sie in den Raubtieren Konkurrenten, die „scharf“ bejagt werden müssen, und eine Hege, auf die die Jäger sonst so stolz sind, findet nicht statt.

Im Bundesjagdgesetz (BJagdG) von 1952 stand der Auftrag an die Jäger, das Wild — vor Wild zu beschützen, nämlich der „Schutz des Wildes vor Wilderern, Raubwild, Futternot, Wildseuchen und Raubzeug“ (§ 23).

„Unter Raubzeug wurden all die Tiere zusammengefaßt, die sich zwar räuberisch ernähren, denen man aber den Status des edlen Wildes verweigerte. Hierunter fielen je nach Land und Epoche zum Beispiel Ratten, Rabenvögel und verwilderte Katzen.“ (S. K. M. Linn-Kustermann, in: K. G. Blüchel (Hg.), Die Jagd, a.a.O., S. 420)

Die Worte Raubwild und Raubzeug tauchen heute nicht mehr im BJagdG auf, aber nicht deshalb, weil sich die Einstellung und die Praxis der Jäger inzwischen geändert hätte, wie Albert Lorz 1991 in seinem Kommentar zum BJagdG (2. Auflage, Beck-Verlag) deutlich ausspricht.

Der Fuchs

Der Fuchs, das größte Raubtier, das die Ausrottungsversuche der Jäger überlebt hat, wird mit besonderem Hass verfolgt.

„Er frißt das, was sich gerade anbietet und was er mit geringem Aufwand erbeuten kann. So steht nicht etwa die im Kinderlied besungene (gelegentlich) gestohlene Gans auf Reinekes täglichem Speiseplan an oberster Stelle, sondern — was auch manchen gestandenen Weidmann überraschen mag — der Regenwurm.“ (Uwe Leiendecker, Jäger und Gejagte, in: K. G. Blüchel (Hg.), Die Jagd, a.a.O., S. 22)

Ansonsten frisst der Fuchs hauptsächlich Mäuse und Aas, im Herbst auch Obst.

„Der Fuchs galt lange als ganz gefährlicher Feind der Niederjagd, und man verfolgte ihn mit allen Mitteln, wobei selbst vor Gift nicht zurückgeschreckt wurde. Wir sehen heute im Fuchs mehr die Sanitätspolizei des Reviers. Wie jede Kreatur im Haushalt der Natur ihre Aufgabe zu erfüllen hat, so auch der Fuchs. Daß ein Fuchs trotzdem in gut besetzten Niederjagden großen Schaden tut, daß er in Fasanenrevieren nicht geduldet werden kann, liegt auf der Hand. Man darf hier ruhig einen Vernichtungskrieg gegen ihn führen.“ (Raesfeld/Frevert, S. 48)

Bis auf den heutigen Tag wird in Jagdkursen empfohlen: Für jeden Rehbock, den man erschießen will, muss man vorher ein Dutzend Füchse erschießen. Jäger veranstalten „Fuchswochen“ wie im Kreis Kempten, wo 80 Jäger in einer Woche des Januars 2003 304 Füchse töteten und in der Tierkörperbeseitigungsanstalt verbrennen ließen. Sie motivieren sich gegenseitig mit Ehrenurkunden, Medaillen und Geldprämien zu noch mehr „Raubwildschärfe“. Wer mindestens 50 Füchse in einem Jahr getötet hat, bekommt eine „Fuchsnadel in Gold“ usw.

Wolfsabschüsse in Deutschland 1948 - 1991
Niedersächsisches Landesamt für Ökologie, Faltblatt, 2002

Der Wolf

„Darf man einen Wolf schießen, den man im Revier antrifft? Ja. Er gehört nicht zum Wild und ist völlig ungeschützt. Man denke an die Tollwutgefahr!“ (Blase/Pettinger, Die Jägerprüfung in Frage und Antwort, 24. Aufl. 1988, S. 264 – die erste Auflage erschien 1936)

Dass der „völlig ungeschützte“ Wolf durch Tier- und Naturschutzgesetze und internationale Artenschutzabkommen geschützt ist, ist den Jägern scheißegal.

Vor zwanzig Jahren wurde bei Göttingen häufiger eine Wölfin gesichtet. Die Medien berichteten darüber, sie bekam von den einen den Namen „Bärbel“, von den anderen den Namen „Puck“. Ein Jäger erschoss sie aus 15 m Entfernung. In Leserbriefen zu der Wolfstötung, die in der Öffentlichkeit hohe Wellen schlug, machten Jäger keinen Hehl aus den wahren Beweggründen:

„Warum sollten gerade Jagdpächter in über möglicherweise Jahrzehnten gehegten Revieren ein Wolfsrudel dulden, das gegebenenfalls innerhalb kürzester Zeit dafür sorgt, dass die Reviere wildleer sind?“ — „Was für ein Gejohle und Geheule um den Tod eines kranken, in unserer zersiedelten Landschaft nicht überlebensfähigen Wolfes.“ — „Seit 1990 ist es jetzt der siebte Wolf, der in Deutschland illegal von Jägern geschossen wurde.“ (Wild und Hund (WuH), Heft 7/2003, S. 64-66, Parey-Verlag)

Sie fürchten, dass durch einen Wolf „die Jagdgründe finanziell weniger einträglich werden“ (Hannoversche Allg. Zeitung (HAZ), 2. Apr. 2008). „Wer für eine Jagd mit Brunftplatz eine Million Euro gezahlt habe und nun sehe, dass das Wild ausbleibe“, für den liege der Abschuss des Wolfes nahe, sagt der Geschäftsführer der LJN (CZ, 16. April 2008).

Im Dezember 2007 erlösten zwei Jäger im niedersächsischen Wendland mit vier Schüssen einen Wolf von seinen Leiden, der bereits von einem dritten Jäger angeschossen gewesen sein soll. Sensation: Einer der drei wurde nicht nur vor Gericht gestellt, sondern sogar auch verurteilt! Gewöhnlich gehen die Wolfstötungen so aus:

„Wolfsschütze wird nicht angeklagt“

„Laut Staatsanwaltschaft habe er ein wildlebendes Tier getötet, obwohl er hätte wissen müssen, dass es sich um eine streng geschützte Art handele. Sie unterstellte einen vorsätzlichen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz in Verbindung mit der Artenschutzverordnung und reichte Klage ein.
Der Jäger hatte den Wolf als wildernden Schäferhund angesprochen. Das Amtsgericht Burg [Sachsen-Anhalt] lehnte die Anklage ab, weil man ihm das Gegenteil weder unterstellen noch beweisen könne. Auch liege kein fahrlässiger Verstoß vor, da niemand in dieser Gegend Sachsen-Anhalts mit einem Wolf hätte rechnen müssen.“
(Wild und Hund, 22.07.2010)

Also: Man darf von einem Hobby-Jäger nicht erwarten, dass er Hund und Wolf unterscheiden kann, und man muss auch absolute Ahnungslosigkeit über die Lebensweise des Wolfes voraussetzen.

„Wäre es legal, würde ich jeden Wolf erlegen. Eiskalt!“ So sprach Seine Durchlaucht Franz Prinz zu Salm-Salm, Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt vier Jahre später (DJZ-Serie „Prominente Jäger“).

Wolfsfreie Zone Deutschland

Der jagende Prof. Pfannenstiel sieht die Sache locker: Man müsse nur die richtige Brille aufsetzen. Wenn man die Wölfe Europas und Asiens zusammen in einen Topf wirft, dann „befindet sich und befand sich [diese (!) Wolfspopulation] auch in den letzten Jahrtausenden stets im günstigen Erhaltungszustand. Das bliebe selbst so, wenn in Deutschland die Wölfe erneut komplett ausgerottet würden!“ (Interview in Land & Forst 21/2023, hg. LWK Hannover, S. 9).

Der Luchs

Auch den Luchs haben die Waidmänner in Deutschland ausgerottet. Die Jahrzehnte alte Forderung des Göttinger Instituts für Jagdkunde und Wildbiologie, den Luchs im Harz durch Aussetzen wieder anzusiedeln, hatten sie bis zum Jahr 2000 erfolgreich bekämpft. Dann stimmten sie zähneknirschend zu: Die Aktion lässt sich andererseits doch auch propagandistisch gut verkaufen. Inzwischen sollen über 50 Luchse im Harz leben, die geschätzte 2500 Rehe im Jahr töten, wie es die Natur eben so vorgesehen hat — Tiere, die die Waidmänner nicht selbst mehr töten können. Schlimmer noch: konnte man früher die Uhr danach stellen, wann welches Wild sich abschussbereit vor welchen Hochsitz aufstellte, so kommt das Wild heute nur noch unregelmäßig oder nur noch bei Dunkelheit (der Luchs ist auch nicht blöd). Besonders zu leiden haben die Jagdknechte, die die zahlenden Jagdgäste zu den Abschussplätzen führen müssen. Mit dem Geld haben sich die Gäste doch einen Rechtsanspruch auf prompten Tötungserfolg erkauft. So beschreibt „Wild und Hund“ im Heft 5/2012 auf den Seiten 32 bis 37 und 97 den Niedergang der Jagd zwischen Sorge und Elend: „Unter Pinselohrs Herrschaft“ — „Luchsinvasion“ — „Wenn einer Landschaft ein Beutegreifer wie der Luchs 'übergestülpt' wird“ — die anmaßende Überstülpung der Harzer Landschaft durch Mutter Natur hatten sie doch im Jahr 1818 beendet und 1906 ergänzt durch ihre eigene Überstülpung des Harzes mit dem Mufflon, einem Schaf, das sie aus Korsika oder Sardinien importierten (s. u.).

Der Luchs steht immer noch auf der Liste der jagbaren Tierarten (mit ganzjähriger Schonzeit) und müsste deshalb von den Jägern gehegt werden. Es leben aber keine 200 Tiere in Deutschland, und es werden immer wieder tote Luchse mit Bleiprojektilen im Körper gefunden. Illegale Tötungen von Luchsen hätten in den letzten Jahren zugenommen, so dass die Gefahr des Aussterbens bestünde, schreibt die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau in Bezug auf die Population im Grenzgebiet von Bayern, Österreich und der Tschechei (26.6.2018).

20 Luchse im sächsischen Erz- und Elbsandsteingebirge ansiedeln? Wir sind „entschieden“ dagegen, ruft der Landesjagdverband Sachsen e. V. und schiebt das Birkhuhn vor: „Lebten zu Beginn der 1990er Jahre in Sachsen noch ca. 200 Birkhühner, ist deren Bestand mittlerweile um mehr als 80 %, auf ca. 40 Individuen, geschrumpft (Stand 2018).“ (Landesjagdverband, 6.10.2022) Was das mit dem Luchs zu tun haben soll? – es gibt doch noch keinen einzigen dort. Das Versagen der Waidmänner bei der Hege des Birkhuhns wird ergänzt um die Weigerung, den Luchs zu hegen. Auch ihr Verband nennt sich „anerkannter Naturschutzverband“.

Der Uhu und andere Raubvögel

„Seit dem 17. Jahrhundert wurde der Uhu systematisch verfolgt: Er wurde geschossen und gefangen, und an den Nistplätzen wurden gezielt Eier und Jungvögel ausgenommen. Das setzte sich bis ins 20. Jahrhundert fort. Schließlich wurde 1937 das Weibchen vom letzten Uhupaar in Niedersachsen bei Osterrode im Harz geschossen. Damit war der 'König der Nacht' als Brutvogel ausgestorben, wenngleich das zugehörige Männchen noch bis 1965 allein weiterlebte.“ (Land & Forst 4/2005)
„Die Raubwildbekämpfung darf auf keinen Fall zur Ausrottung einzelner Tierarten, zur Raubwildvertilgung führen, wie es früher der Fall war. Mit fanatischem Haß verfolgten die Jäger alle Geschöpfe, die nun einmal von Natur aus sich hauptsächlich vom Fang des Wildes nähren müssen. Bei dieser Einstellung war es kein Wunder, daß unsere stolzesten Vögel: Adler, Uhu, Schwarzstorch, nur noch in einigen wenigen Exemplaren in deutschen Revieren vorkamen.“ (Hermann Schulze, Der waidgerechte Jäger, Parey-Verlag, 10. Auflage 1951, S. 84) Und heute gibt es auch nicht mehr Exemplare.

Rabenkrähen, Elstern und anderes „Raubzeug“

Ab dem Jahr 1987 musste die BRD, gezwungen durch eine EG-Richtlinie, die Jagd auf diese Vögel verbieten. Später haben es die Jäger jedoch in vielen Bundesländern, trotz Protesten von Naturschützern wie z. B. dem NABU, durchgesetzt, dass sie wieder Elstern, die in der freien Landschaft kaum noch vorkommen, und Rabenkrähen töten dürfen mit der Begründung, diese Tiere richteten großen Schaden an. Wie wäre es, auch Ratten und Mäuse in die Liste der jagbaren Tiere aufzunehmen? Aber nein: „Jäger lassen sich nicht zu Schädlingsbekämpfern degradieren“ (DJV), sondern wollen immer auch für genügend Nachschub von Schädlingen sorgen, sofern sie Trophäen tragen!

Der Jäger als Ökologe

Der ehemalige Berufsjäger Bruno Hespeler: „Ich gehe auf die 80 zu und friere mir noch jeden Winter den Hintern für einen Fuchs ab. Aber: Wir hatten vergangenes Jahr – bedingt durch die steigende Trockenheit – ein großes Mäuseproblem. Hektarweise blanke Grünflächen. Gleichzeitig bekämpften manche in bester 'Taliban-Manier' Füchse sowie Wiesel und 'entsorgen' diese. Wer soll uns da ökologisches Denken zubilligen? Wie wollen Sie der Öffentlichkeit vermitteln, dass wir im Sommer Füchse 'regulieren' müssen, um im Herbst dann die Hasen zu 'regulieren'? Was passiert, wenn wir im Sommer Füchse schießen? Wir schießen die zuverlässigsten Verbündeten im Kampf gegen die Kokzidiose [Krankheit der Hasen, Kaninchen und mancher Vögel] und machen Platz für die im Herbst ohnehin wieder zuwandernden fremden Füchse!“ (Interview in Wild und Hund, 3. Juni 2020)


Ab Anfang 2004 fand in Ostfriesland eine groß angelegte, auf drei Jahre geplante Massentötung von Krähen statt, die als wissenschaftliches Forschungsprojekt ausgegeben wurde, mit 64 000 Euro vom Landwirtschaftsministerium subventioniert, wissenschaftlich geleitet von Prof. Pohlmeyer (Tiermedizinische Hochschule Hannover), damals Vorsitzender der Landesjägerschaft Niedersachsen. Die Jäger töteten Massen von Krähen, zu deren Hege sie doch auch verpflichtet sind, in der Hoffnung, danach ein paar mehr Hasen, Fasane und Rebhühner töten zu können.

Ende 2005 fiel die Tiermedizinische Hochschule ihrem eigenen Professor in den Rücken: Das Projekt sei „nicht mehr sinnvoll und wissenschaftlich begründbar“ (Land & Forst, 15. Dez. 2005). 12 000 Krähen waren getötet worden.

Die Jäger scheinen nicht lernfähig zu sein, weil schon in der 90er Jahren ein vergleichbares Projekt in einem 700 ha großen Revier im Saarland mit dem sechsjährigen Versuch der Ausrottung von Rabenvögeln und sonstigem „Raubzeug“ ergeben hatte:

„Es nahmen weder Fasane noch Hasen zu.“ „Jeder Fasan war einfach um 25 Schuss Munition teurer geworden.“ (Prof. Reichholf, Rabenschwarze Intelligenz, Herbig, 5. Aufl. 2009, S. 110, S. 114)

Hauptursache für den Bestandsrückgang beim Niederwild sei die moderne Landwirtschaft (Flurbereinigung und Überdüngung, Beseitigung der Wildkräuter und Insekten). Und noch ein Ergebnis hatte der Versuch, das dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen scheint: Die bejagten Tiere steigerten die Nachwuchsproduktion, so dass die Zahl der Krähen eher zunahm. Die Jäger „erreichten das Gegenteil“ des Erhofften (Reichholf, S. 115).

Auch Naturschützer, die mit den Jägern gemeinsame Sache gemacht hatten, erreichten nichts:

„Andererseits blieb offen, ob die Vernichtung von 2242 Rabenkrähen, Elstern und Eichelhähern auf nur 700 Hektar und 174 Hermelinen dazu den Singvögeln zugutegekommen ist. Wolle man den günstigsten Fall von vier der seltenen Braunkehlchen-Brutpaare als Erfolg der Massenvernichtung werten, käme ein Aufwand von 600 Getöteten pro Braunkehlchenpaar zustande. Dessen Überleben lässt sich mit so einer Vorgehensweise auf keinen Fall sichern.“ (Reichholf, S. 112)

Die einfache Wahrheit lautet, dass eher die Räuberpopulation mangels Nahrung zurückgeht als dass die Räuber ihre Beute ausrotten, „doch bis heute versucht man noch, bedrohten oder [!] jagdwirtschaftlich interessanten Tierarten durch Dezimierung ihrer Räuber zu helfen und damit im Sinne des Naturschutzes zu handeln“ (Kalchreuter, Die Sache …, S. 27 f).

„Ausschaltung der Räuber bewirkt nur eine kurzfristige Vermehrung der Beutetiere, bis andere Sterblichkeitsfaktoren die Dichte auf das vom Lebensraum gegebene Niveau zurückdrücken.“ (ebd., S. 36)

Leider gibt es auch vierzig Jahre später ahnungslose Naturschützer, die beim Vernichtungskrieg der Jäger mithelfen.

Eisvogel mit erbeuteter Kaulquappe.
Soll man Eisvögel, die auf der Roten Liste stehen, töten, um Amphibien zu schützen, die auf der Roten Liste stehen?

(Fotograf: Pierre Dalous, Quelle: wikimedia.org, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported)

„Flächendeckendes Engagement der Jäger im Biotop- und Artenschutz“ (DJV)

„Weil wir uns dem Naturschutz besonders verpflichtet fühlen, ja, weil er uns eine Herzensangelegenheit ist“, so der Präsident der LJN (CZ, 24. Dez. 1999), haben sie im Rahmen ihrer „Aktion Biotopschutz“ 154 verschiedene, handtuchgroße Flächen von zusammen knapp 5 km² aufgekauft (Nds. Landesjagdbericht 2003, S. 63). Darauf sind sie mächtig stolz. Zum Vergleich: Das Land Niedersachsen umfasst 47 614 km², davon sind 2919 km² vom Staat zu Naturschutzgebieten erklärt. Der private Verein Naturschutzpark besitzt und pflegt 97 km² Heide- und Waldflächen rund um den Wilseder Berg, wo der größte Teil der letzten Birkhühner Niedersachsens lebt.

Das Anlegen von künstlichen Wildäckern, auf denen auch Kunstdünger gestreut und Herbizide gespritzt werden wie auf normalen Äckern, nennen die Jäger Biotoppflege. Denn „Wildacker ist kein 'wilder' Acker“, schreibt die Deutsche Saatveredelung AG in einem Artikelkatalog und bietet deshalb fertige Saatmischungen wie „Kohlmenue“ oder „Wildackereintopf“ für das wählerische Wild an und gibt auch Tipps für die richtige Düngung, um die alte Jägerweisheit außer Kraft zu setzen: „Auf Lehmböden wachsen bessere Gehörne als auf Sand- oder Moorböden.“ (Blase/Pettinger, S. 171)

Wildäcker: Mit Bioziden zu einer artenreichen Vegetation

„Zur ökologischen Bedeutung von Wildäckern in Feldrevieren […] 40% der Wildäcker erfüllen eine bedeutsame ökologische Funktion, indem sie Standorte seltener Pflanzenarten und einer artenreichen Vegetation darstellen. […] Aufgrund des fehlenden Ertragszwanges ließe sich die Wohlfahrtswirkung von Wildäckern noch ausschöpfen, […] Dies ist möglich durch die Kombination von (a) geringem Düngungsniveau, (b) professioneller Saatbettvorbereitung, gegebenenfalls unter Einsatz von Bioziden […]“ (Niedersächsischer Landesjagdbericht 2004, S. 82)

frisch gepflügter Wildacker mit Salzleckstein und Hochsitz im NSG Schweinebruch im Mai

Aus dem Landschaftsrahmenplan für den Landkreis Celle

Die jagdliche Nutzung ist im Einklang mit Naturschutz und Landschaftspflege zu betreiben. Im einzelnen beinhaltet dies:

  • Erhaltung einer artenreichen, gesunden Tierwelt

  • keine Bejagung gefährdeter Tierarten (Arten der Roten Liste)

  • Der Wildbestand ist ansonsten so zu regulieren, daß keine Schädigung des Waldes durch zu starken Verbiß erfolgt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß angestrebt wird, die Naturverjüngung von Laubholzarten zu fördern und die Bodenvegetation zu entwickeln.

  • Vermeidung von Wildkonzentrationen durch Bejagung

  • keine Anlage von Wildäckern in oder angrenzend an naturnahe, nährstoffarme Ökosysteme, z. B. Eichen-Birkenwälder, Heiden, Moore

  • Verzicht auf regelmäßige Fütterung und ihre Beschränkung auf wirkliche Notzeiten“

Landschaftsrahmenplan für den Landkreis Celle, hg. vom Landkreis Celle 1991, Amt für Regionalplanung, S. 392

Auch links würde Heidekraut wachsen, aber der Jäger will hier einen künstlich gedüngten Wildacker haben. Vor dem Hochsitz steht auf einem Pfahl ein Salzleckstein für das Rotwild, „doch widerspricht es dem Empfinden vieler Waidmänner, diese als Lockmittel zu benutzen“ (Raesfeld/Frevert, S. 15) — die gute alte Zeit!

Standpunkte der Jungen Union Niedersachsen zum Thema Umwelt

Konzentration von Wildtierbeständen nicht künstlich aufrechterhalten

Die Junge Union Niedersachsen fordert, daß in Zukunft stärker gegen die künstlich aufrechterhaltenen Konzentrationen von Tieren, die dem Jagdrecht unterstehen, vorgegangen wird. Durch die Haltung zu hoher Wildbestände wird ein derart hohes Maß an Naturschäden in Kauf genommen, welches allein durch die kommerzielle Nutzung der Jagd nicht gerechtfertigt werden kann. Häufig auftretende Schäden sind hierbei die Überdüngung von Seen oder Moorgebieten durch Kot oder künstliche Nährstoffeintragungen von außen und großflächiger Baumverbiß. Solche massiven Auswirkungen können von der Natur nicht ausgeglichen werden, sondern führen nicht selten zu einer dauernden Schädigung der Ökosysteme. In Zukunft muß durch verstärkte Kontrollen verhindert werden, daß ein für das ökologische Gleichgewicht unverträglicher Bestand jagdbarer Tiere aufrechterhalten werden kann. (NT 1992)

Die Jäger zählen gern die Bäume und Büsche, die sie — aus lauter Naturliebe und im Dienst an der Allgemeinheit — pflanzen. Warum sie dafür einen Jagdschein brauchen, verraten sie nicht. Wenn sie ihnen im Schussfeld stehen, sägen sie sie ab, um Schussschneisen anzulegen. Das Propaganda-Geschrei um die Pflanzaktionen verhält sich umgekehrt proportional zu den Taten:

„Im Bereich Naturschutz wurde bedauernd festgestellt, dass Anpflanzungen von Hecken und Hegebüschen rückläufig sind, obwohl es weiterhin finanzielle Unterstützung durch die Landesjägerschaft und der [die?] Jägerschaft Celle gibt. Nicht rückläufig dagegen ist die Anzahl der aktiven Jagdhornbläser […].“ (CZ, 12. März 2008, über den Hegering Flotwedel)

Jäger und land- und forstwirtschaftliche Grundeigentümer sind zwar spätestens seit dem Reichsjagdgesetz von 1934 dazu verpflichtet, die Lebensgrundlagen des Wildes zu erhalten; als aber die rot-grüne Bundesregierung das Jagdrecht reformieren und diese längst bestehende Pflicht verbindlicher gestalten wollte, jammerte der damalige Vorsitzende des DJV, der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Borchert (CDU):

„Grundeigentümer und Jäger sollen zur Erhaltung und Verbesserung von Lebensräumen gesetzlich verpflichtet werden. Hier befürchtet Borchert zusätzliche Belastungen insbesondere für Landwirte.“ (CZ, 5. Juni 2004) Borchert hatte sich schon 1995 ein Denkmal gesetzt, als er auf einer Jagdeinladung in Spanien einen vom Aussterben bedrohten Steinbock (Capra pyrenaica victoriae) erlegte, wofür die spanischen Jagdbehörden damals normalerweise eine Gebühr von 60 000 DM verlangten. Wenigstens musste er diesen geldwerten Vorteil beim deutschen Finanzamt nachversteuern (Spiegel 34/1996).

Fast alle Landwirtschaftsminister der BRD sind bzw. waren Jäger. Als Minister haben sie die immer weitergehende Naturzerstörung durch die Land- und Forstwirtschaft gefordert und gefördert. Als Propagandisten der Jagd betränen sie die Naturzerstörung. Als Praktiker der Jagd zerstören sie die Natur auf ihre Weise.

Dieselbe Lobby hatte schon erfolgreich verhindert, dass in die Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes 2002 eine Verpflichtung zum Pflanzen von Hecken aufgenommen wurde. Andererseits ruft der Präsident der LJN neuerdings nach gesetzlichem Zwang, weil Bauern immer weniger Flächen — möglichst kostenlos — für die der Jagd förderlichen Buschanpflanzungen (Hegebüsche) zur Verfügung stellen würden (Land & Forst 25/2008, S. 52). Der damalige niedersächsische Staatssekretär, Lobbyist der Agrarindustrie und Jäger Ripke gibt durchaus zu, „dass das Niederwild [z. B. Hase und Rebhuhn] unter der intensiven Landbewirtschaftung leide. Es sei falsch verstandener Naturschutz, wenn nichts gegen die viel zu große Zahl von Beutegreifern unternommen werde.“ (CZ, 6. März 2006) Richtig verstandener Naturschutz dagegen ist es, die Natur immer weiter zu zerstören und dafür Füchse, Dachse, Marder, Iltisse, Wiesel und die Raubvögel ganz besonders büßen zu lassen.

Jagen im Naturschutzgebiet

Naturschutzgebiete sind jagdliche Leckerbissen. Dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) handelte der damalige Präsident des DJV, Constantin Freiherr von Heereman, die Anerkennung der „Jagd als traditionelle Form der Landnutzung nach den Grundsätzen moderner [Futterautomaten?], naturverträglicher Wildhege“ ab. Sogar in Natur- und anderen Schutzgebieten könne die Jagd eine „legitime Form der Landnutzung“ sein, sofern sie dem Schutzziel des Gebietes nicht zuwiderlaufe. Dafür stimmte Heereman einer gewissen Selbstbeschränkung der Jagd zu: „Störungen von Brutgebieten, Rast- und Überwinterungs­gemeinschaften, insbesondere von Wat- und Wasservögeln, sei es durch sportliche Aktivitäten oder [?] Jagd, sind grundsätzlich zu vermeiden“ (gemeinsame Erklärung von DJV und NABU, 7. März 1998).

Unter den Jägern hätte es fast einen Aufstand gegeben. Heereman wurde Verräter genannt und mit Eiern beworfen. „Die Jagd im Würgegriff des Naturschutzes“ kommentierte die Zeitschrift „Jäger“ (zit. nach Spiegel 30/1999).

Dabei haben die Jäger doch im NABU einen Bündnispartner gegen die „zunehmend unkontrollierten Freizeit-Sportarten“ des gewöhnlichen Volkes.

Juristen sehen manchmal klarer als Naturschützer:

„Die Jagd ist in Naturschutzgebieten kraft des absoluten gesetzlichen Veränderungsverbots untersagt, weil die Tötung wildlebender Tiere die Voraussetzung des Tatbestandsmerkmals 'zerstören oder beschädigen einzelner Bestandteile' erfüllt […]. Auch Hegemaßnahmen können gegen das Veränderungsverbot verstoßen […].“ Eine ausnahmsweise Erlaubnis der Jagd dürfe nur differenziert erteilt werden, z. B. nur bezogen auf einzelne Tierarten oder Jahreszeiten. (Blum, Agena, Franke, Niedersächsisches Naturschutzgesetz, Kommentar, § 24, Rdnr. 31, Loseblattsammlung, Lieferung 2.96, Kommunal- und Schul-Verlag, Wiesbaden)

Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt für Naturschutzgebiete vor:

„Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.“ (§ 23 Absatz 2)

„Vor allem die Jäger haben ihr Herz für den Naturschutz nur entdeckt, um in Ruhe jagen zu können.“
Wilhelm Bode, Jäger vom alternativen Ökologischen Jagdverband (ÖJV), Spiegel 34/1997

Celler Jäger gegen neues Landschaftsschutzgebiet

Der ehemalige Vorsitzende der Kreisjägerschaft Celle e. V. und Großgrundbesitzer Ilper (auf dem Foto der zweite von rechts): „Wir wollen hier keinen Öko-Tourismus mit Parkplätzen und Aussichtstürmen.“ (CZ, 18. Jan. 2013) Ilper, der mit der Keks- und Jägerdynastie Bahlsen verschwägert ist, besitzt 400 Hektar in einem exquisiten Hirschzuchtgebiet bei Rixförde, das Teil eines geplanten neuen LSG werden könnte. Seine eigenen Hochsitze und sein gewinnbringender Jagdtourismus – im Revier werden jährlich 50 Hirsche totgeschossen – zählen natürlich nicht dazu. — Auch der Kreisjägermeister ist gegen neue Natur- und Landschaftsschutzgebiete (CZ, 5. März 2013).

Landkreis Celle schenkt den Jägern jährlich 10 000 Euro

Landrat Wiswe (auf dem Foto reibt er sich gerade die Hände) erklärte, dass er stolz auf sich, auf seine Jägerfreunde und den Rest der Welt sei, und dass er es vor sich, seinen Jägerfreunden und dem Rest der Welt verantworten könne, seinen Jägern jährlich diese Summe zu schenken (Celler Kurier, 25. Sept. 2013).

2021 setzte sich Wiswe zur Ruhe. Falls er kein Jäger sein sollte: Sein Nachfolger Flader ist Jäger wie so viele andere Kommunalpolitiker hierzulande.

Naturschutzgebiet Schweinebruch: Naturschutz, wie ihn die Jäger lieben

Ein Jäger und Landwirt pflanzte unter einen alten Erlenbestand standortfremde Fichten. Ihm sind die Erlen zu licht; er will mehr Wild in sein Revier locken, indem er ihm mehr Deckung bietet. Das Verbot, Pflanzenschutzmittel im Naturschutzgebiet anzuwenden, bekümmert ihn nicht. Er kippt auch Bauschutt dort ab. Ein anderer rodete Wald für einen neuen Wildacker nebst Hochsitz. Die Naturschutzbehörde hat zum Schutz von Schwarzstorch und Kranich Wege gesperrt; die Jäger dürfen weiter im Naturschutzgebiet querfeldein herumfahren, trampeln und ballern. Die Behörde duldet es, dass trotz Verbots immer neue Hochsitze, Wildäcker und Futterstellen eingerichtet werden.

Verbotene neue Hochsitze mit verbotenem Futterberg (Zuckerrüben). Seit Gründung des NSG Ende 1995 wurden mindestens vier Dutzend Hochsitze illegal neu erbaut, der Hochsitz links im Mai 2006, also in der Brut- und Setzzeit der Tiere, wenn diese ihren Nachwuchs aufziehen und deshalb besonders empfindlich gegen Störungen sind. Die Jägerpropaganda bezeichnet dann die Natur als „Kinderstube des Wildes“, was die Jäger nicht daran hindert, in selbiger herumzutrampeln, um Rehböcke zu töten. Einige hundert Meter von hier entfernt brütet in dieser Zeit auch ein Schwarzstorch, die heilige Kuh der Naturschützer. Die Naturschutzbehörde hat ihm zuliebe bei Strafe von 10 000 Euro das Spazierengehen, aber nicht das Jagen verboten. So kam, was in einer kommerziell betriebenen Jagd kommen musste: „Früher brütete hier auch der Schwarzstorch, bis jagdliche Aktivitäten ihn vertrieben haben.“ (NLWKN, gefunden am 18. Sept. 2011)

Zum Aussterben des Schwarzstorchs sagt Grzimeks Tierleben (hg. Bernhard Grzimek u. a.), Siebter Band, Vögel 1, Zürich 1968: „Leider gehen die Verluste zu einem nicht geringen Teil auf Abschuß zurück.“ (S. 226) Bis 1976 stand der Schwarzstorch auf der Liste der jagbaren Tierarten und hätte also gehegt werden müssen.

In der Brut- und Setzzeit 2008 wurde der Hochsitz links in ein jägertypisches Grün umgepinselt.

Der Kormoran

Der Kormoran stand bis 1976 auf der Liste der jagbaren Tiere und hätte also gehegt werden müssen. Stattdessen war er in Niedersachsen um 1958 nahezu ausgerottet, weil er sich von Fischen ernährt. Obwohl er durch die EU-Vogelschutzrichtlinie geschützt ist und nicht mehr zu den jagbaren Tierarten gehört, dürfen ihn heute wieder Jäger töten. 600 Brutpaare im niedersächsischen Binnenland sind einfach zu viel für das große „Land mit Weitblick“.

Wie bei den Rabenvögeln gibt es zwar das Problem „der aufwendigen Nachweisbarkeit und Quantifizierung der tatsächlichen Schäden — wissenschaftlich methodisch und hinsichtlich der Finanzierung […]. Es ist jedoch müßig, weiter darüber zu diskutieren, wieviel Pfund oder Kilogramm Fisch ein Kormoran durchschnittlich pro Tag oder Jahr frisst. Denn es ist mittlerweile mehr als ausreichend gesichert, dass die Schäden des Kormorans an fischereiwirtschaftlichen Betrieben (Teichwirtschaft!) sowie am Fischbesatz diverser freier Gewässersysteme sehr hoch sind beziehungsweise [!] sein können.“ (WuH 16/2003, S. 25)

Unzufrieden sind die Jäger allerdings damit, dass in Niedersachsen nicht nur sie, sondern auch die Fischer selbst den Vogel töten dürfen (ebd., S. 27). Die Fischer dürfen sogar die Nester im Umkreis von 10 km um ihre Fischteiche zerstören. Seeadler könnten die Kormorane in Schach halten, hätten Fischer und Jäger sie nicht ausgerottet.

Im Herbst 2016 stellte der niedersächsische Landtag fest, dass die dreizehnjährige Hatz auf den Kormoran nichts gebracht hat und gerade deswegen um drei Jahre verlängert werden soll.

Der Seehund

Der Seehund steht immer noch der Liste der jagbaren Tiere, wird aber seit den siebziger Jahren ganzjährig geschont. Wie beim Kormoran verstecken sich die Jäger hinter den Fischern, die behaupten würden, wegen der inzwischen wieder zunehmenden Zahl der Seehunde keine Schollen und keinen Kabeljau mehr fangen zu können, und fordern die Wiederaufnahme der Jagd (WuH 17/2012, S. 9).

Früher sahen Jäger die Sache genau entgegengesetzt: Die Seehunde leiden unter den Fischern! „Durch die jahrelange Überfischung der Nordsee macht sich auch ein Nahrungsmangel bemerkbar.“ (Blase/Pettinger, S. 282)

Zusätzlich erzählen sie der Öffentlichkeit, wie schön Seehundbraten schmecken würde — andere Zeitgenossen meinen, Seehunde seien wegen der Meeresverschmutzung der reinste Sondermüll.

Gänse

Über Gänse beschweren sich oftmals Bauern, die meistens selber Jäger sind, weil die Tiere Gras fressen und Kot hinterlassen. Sie selbst düngen ihre Flächen mit Geflügelkot aus den Agrarfabriken.

„Eine systematische Inventur der Schäden fehlt. Daher lässt sich über die tatsächliche Höhe der Schäden wenig aussagen.“ (Jagdbericht 2014/15, S. 84)

Im Kreis Celle dürfen „ausgewählte Jäger“ Graugänse sogar in der Brutzeit töten, „wenn sichergestellt sei, dass es sich um Gänse handelt, die nicht brüten, so der Kreisjägermeister.“ (CZ, 3. Juni 2008). Ein Bauer hatte sich beklagt. Daraufhin gab es die Ausnahmegenehmigung. Der Naturschutzbeauftragte des Landkreises warf dagegen den Jägern vor, sie würden die reguläre Jagdzeit (ab 1. August) zu wenig zur Reduktion nutzen.

Die Gänsejagd ist „auch in Vogelschutzgebieten“ erlaubt. Dabei wird auch auf geschützte Tierarten geschossen. Der damalige Landwirtschafts-„Minister Ehlen räumte dies ein, sagte aber auch, es gebe nur wenige solcher Fehlschüsse.“ (Land & Forst, Heft 51/52/2008). Im Dezember 2021 erschossen Jäger im Emsland zwei streng geschützte Zwergschwäne, von denen nur noch 70 bis 90 Tiere in der gesamten EU leben. Der NABU hatte sie mit Sendern ausgestattet. Deshalb konnten die toten Tiere – mit Schrotkugeln im Körper – gefunden werden (siehe auch NDR Niedersachsen: Erschossene Gänse im Biosphärenreservat).

Die Jagd bedroht auch den Bestand von Tierarten, auf die die Jäger nicht schießen, weil die Jagd alle Tiere in Todesangst versetzt: „Wo geschossen wird, brüten und überleben insgesamt weniger Tiere als in jagdfreien Zonen.“ (Schneider-Jacoby, Stiftung Euronatur, nach SZ, 6. Okt. 2009)

(Fotograf: mozzercork, Quelle: Wikipedia, Lizenz: Creative Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert)).

Höckerschwäne

Sie dürfen in Niedersachsen auch in Vogelschutzgebieten getötet werden.

Der Kranich

Der Kranich stand bis 1976 auf der Liste der jagbaren Tiere und hätte also von den Jägern gehegt werden müssen. Damals war er jedoch so gut wie ausgestorben. Unter dem Protest der Jäger wurde er und viele andere seltene Vögel aus der Liste gestrichen. Heute sorgt der Kreisjägermeister von Celle schon einmal für die nötige Stimmung, um demnächst wieder Kraniche töten zu dürfen, EU-Vogelschutzrichtlinie hin oder her. Er sieht unakzeptable Schäden auf Äckern, weil die Vögel manchmal frisch gesäte, meistens aber Getreidekörner fressen, die von der letzten Ernte liegengeblieben sind. Auf einer Fläche von 20 km² hat er 30 bis 60 Tiere beobachtet, einfach unerträglich! (CZ, 27. Mai 2011)

Der Weißstorch: „Hasen-Killer“ (DJZ)

„1996 gab es im Kreis Groß-Gerau (Hessen) gerade einmal 3 Storchenpaare. Heute sind es 120. […] Schon in den 1990er Jahren hatte Wildbiologe Dr. Heinz Spittler mahnend den Finger gehoben. Der Niederwildexperte hatte erkannt: 'Der Graureiher steht nur in der Gemarkung herum – aber der marschierende Storch wird Hase und Fasan gefährlich.' “ (DJZ 9/2012, S. 14 f)

„Ohne Jäger kein Wild“ (DJV)

Das Damwild

Anfang der sechziger Jahre setzten Jäger zwischen Braunschweig und Peine, in einer der am dichtest besiedelten und industrialisierten Regionen Niedersachsens, Damwild aus, das es dort vorher noch nie gegeben hatte. (Es stammt aus dem vorderen Orient und wurde vor 300 Jahren zuerst in fürstlichen Wildgehegen ausgesetzt.) Damit stiegen mehrere Reviere von armseligen Niederwild- zu edlen Hochwildrevieren auf. Die Jagd auf das Hochwild (z. B. Dam-, Rot- und Schwarzwild) war früher bei Todesstrafe dem Hochadel vorbehalten, in dessen Fußstapfen die modernen Jäger treten wollen. Heute beklagen sich die Peiner Jäger darüber, dass viele Damtiere, statt durch ihr Blei, durch Autos und Eisenbahnzüge getötet werden oder sich in Zäunen verfangen.

„Damwild für Westfalen
Aus den Damwildrevieren des holsteinischen Kreises Plön sollen in diesem Winter zum ersten Male seit Kriegsende zwanzig bis dreißig Stück Damwild, vor allen Dingen weibliche Stücke, gefangen und zur Blutauffrischung des Wildbestandes in Westfalen ausgesetzt werden. Das Plöner Gebiet, das zu den besten Damwildrevieren Europas zählt, hat schon in der Vorkriegszeit Damwild für die Schorfheide geliefert.“
(Hamburger Abendblatt, 31. Dez. 1955) In der Schorfheide (nördlich von Berlin) jagte u. a. Hermann Göring.
„Damwildland Deutschland.
Nach einem kurzen Abwärtstrend zur Mitte der 1990er Jahre steigt die Jahresstrecke des Damwildes in Deutschland kontinuierlich und steil an. Und außer Bremen ist jedes deutsche Bundesland mittlerweile auch 'Damwildland'.“
(WuH 19/2003, S. 118)
Exkurs: Wie das Damwild in der Nazizeit nach Hamburg kam.

A. von Wierusz-Kowalski (1849-1915): „Nach der Jagd“ (Ausschnitt)

„[…] die Markgrafen, Kurfürsten und Könige, die es im 17. und 18. Jahrhundert so perfekt verstanden haben, ihre Staatspflichten mit dem Vergnügen zu verbinden.“ („Glanz und Gloria der Jagdschlösser“ von Heidi Weidner-Weiden, Kapitel „Das exklusive Ambiente eines fürstlichen Privilegs“, in: K. G. Blüchel (Hg.), Die Jagd, S. 246 ff).

Bauernschinderei ist gut für die Kultur

„Dass dabei die ungezügelte Jagdleidenschaft mancher Adeligen Anlass zu heftiger Kritik bot, dass einer der Gründe für die Bauernkriege in der drückenden Belastung der Bauern durch Jagdfrondienste sowie durch Jagd- und Wildschaden an Äckern und Wiesen zu suchen ist, soll nicht verschwiegen werden. Aber es dürfen darüber nicht die großen kulturellen Leistungen im Gefolge der Jagd übersehen werden: Schlösser, Bilder, Tapisserien, Porzellane, Fayencen, Gläser, Tafelaufsätze, Plastiken, kunstvolle Uniformen, Waffen und Geräte, Bücher, Gedichte, Musik- und Theaterstücke.“

So schreibt Deutschlands einzige Jagdwissenschaftlerin, Dr. Sigrid Schwenk, in ihrem Aufsatz „Kulturgeschichte der Jagd“, erschienen im Sammelband „Jagdliches Eigentum“, hg. J. Dietlein / J. Froese, Springer-Verlag 2018, S. 17.


Des Erbprinzen erster Gemsbock
Th. Th. Heine, Simplicissimus 1897

L'état c'est moi!

„Die französische Revolution ist doch nur ein Ausfluss von Neid gewesen.“ Der verhinderte Rittergutserbe und Jäger T. aus H.

Demokratie ist schlecht für die Jagd

„In den heutigen demokratischen Staatswesen haben es die Jäger sehr viel schwerer, Wild und Wildlebensräume zu erhalten und damit dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen. Das Hauptproblem ist dabei letztlich stets dasselbe, nämlich die immer noch zunehmende menschliche Besiedlungsdichte. “ (Kalchreuter, Der Jäger als Ökologe, a.a.O., S. 500)

Das Muffelwild

Deutsche Jäger setzen seit 120 Jahren das korsische Wildschaf (Mufflon) aus, ein Tier „mit großer Friedfertigkeit“ (Jürgen Schulte, S. 74), als Bereicherung auf ihrem jagdlichen Trophäenteller. Es entstammt einer warmen, trockenen, felsigen Landschaft und leidet unter den ganz anderen klimatischen und Bodenverhältnissen in Deutschland unter Klauenkrankheiten (Moderhinke) und Parasiten (Leberegel). In der Rhön hat man es deshalb wieder ausgerottet.

„Gewinnsucht der Importeure, das Streben nach Maximierung der Wildbretgewichte und Trophäenstärke führten dazu, daß fremde Schafrassen eingekreuzt wurden.“ (Jürgen Schulte, Der Jäger. Lehrbuch für die Jägerprüfung, Verlag Eugen Ulmer, 3. Auflage 1998, S. 73)

Und nun ist eine Handvoll Wölfe nach Deutschland zurückgekehrt, zuerst nach Sachsen und Brandenburg.

„Ursprünglich in offenen Gebirgslandschaften beheimatet, wurde die kleinste Unterart des Wildschafes zu DDR-Zeiten aufgrund ihres schmackhaften Fleisches in den Staatsjagdgebieten angesiedelt. 'Muffelwild kennt den Wolf nicht als natürlichen Feind, ist für das Raubtier viel zu langsam', warnt Fochtmann [Jagdbehörde und vermutlich selbst Jäger]. So wurde die Mufflonpopulation in der sächsischen Lausitz binnen kürzester Zeit von den Wölfen ausgerottet, gleiches droht nun den etwa 500 Exemplaren im Ostbrandenburger Schlaubetal.
'Wir haben einen Artenreichtum herangehegt, der kaputt gemacht wird, wenn der Wolf hier tun und lassen kann was er will', ärgert sich Jäger Friedrich Hesse, Sprecher der Hegegemeinschaft Schlaubetal. […] Die Stimmung unter den Jägern sei bedenklich, sagt Hesse. 'Wenn sie ihre Interessen nicht gewahrt sehen, wird es problematisch, denn sie greifen irgendwann zur Selbstjustiz.' Der Wald sei schließlich groß und schweige, meint er vielsagend.“
(Welt Online, 4. Dez. 2007)

„Artenreichtum durch Ausrottung von Arten“ sagen Honeckers und Mielkes Nachfolger.

Welche Verwüstungen die Jäger im Schlaubetal anrichten, hatte der ÖJV dokumentiert (über archive.org).

Das Sikawild

Das Sikawild (cervus nippon) stammt aus Ostasien und wurde ab 1860 nach Europa importiert (zuerst England, Irland, Frankreich; Deutschland: 1893). Wie man bei der Internationalen Gesellschaft Sikawild nachlesen konnte, ist das europäische Sika-„Wild“ ein hundertprozentiges Kunstprodukt waidmännischer Züchtungs- und Kreuzungskunststücke. Ein ganz kurzer Auszug aus der langen „Geschichte der Einbürgerungen“:

„Der erfolgreiche und bekannte englische Hirschzüchter WINANS erzielte z.B. durch Kreuzung groß- und kleinwüchsiger Sikarassen und Weiterzucht mit den Hybriden großwüchsige Tiere. Die Zucht mit Hybriden hatte ihm schon bei der Rotwildzucht einen großen Erfolg beschert: Kreuzungen zwischen Rotwild und Wapiti und weitere Kreuzungen der Hybriden mit dem Altaihirsch brachten ihm im Jahre 1913 für die stärkste Trophäe eine Goldmedaille (NIETHAMMER 1963). Diese Auszeichnung hatte einen Aufschwung der 'Trophäenzucht' zur Folge, wobei der Sikahirsch natürlich nicht ausgenommen wurde.“ (sikawild.org/einbuergerungen über archive.org, Autor: Ernst Eick)

Natürlich, alles ganz natürlich.

Der Fasan

Weit verbreitet ist es, Fasane, die ursprünglich aus Asien stammen, und andere Tiere in Käfigen aufzuziehen, damit die Jäger sie vier Wochen nach dem Aussetzen abschießen können. (Diese Schamfrist aus dem Bundesjagdgesetz lässt sich leicht umgehen.)

Futterautomaten für Fasane

Die Hege des Wildes würde „oft durch mangelndes wildbiologisches Wissen etwas dilettantisch“ ausfallen, meint Kalchreuter (Die Sache mit der Jagd, S. 57). Der Leser möge selbst entscheiden, ob die folgenden Ausführungen eher eine Bestätigung oder eher eine Widerlegung dieser Behauptung darstellen:

„Beim Füttern sollte der Maisanteil gering sein. Vom Mais werden die Laufvögel einfach zu fett. Fasanen lassen sich bestens mit Weizen füttern, der zudem preisgünstiger ist als Mais. […] Es eignen sich auch Futterautomaten in Deckungs- und Feldholzinseln. Diese sind stets in Gruppen angeordnet, damit viele Fasanen zum Zuge kommen. Ansonsten kann es geschehen, dass eine alte und satte Henne unter einem Automaten sitzt und keine anderen Fasanen duldet. […] Übrigens: Das Füttern der Fasanen findet von Oktober bis April statt.“ (DJZ 7/2012, Seite 46f)


„Nach dem 2. Weltkrieg erfuhr die Fasanenzucht eine nie gekannte Blüte. […] Es gibt keine andere Wildart in der Bundesrepublik Deutschland, bei der ähnlich wie beim Fasan menschliche Eingriffe in die Population, nämlich Aussetzen, Füttern, Kurzhalten seiner Verfolger und anschließendes Schießen, ausgeführt werden.“ (Schulte, S. 145f)

Bis 1997 empfahl der DJV, Igel mit einem Messer zu töten, weil sie Fasanengelegen gefährlich werden können (Bode/Emmert, Jagdwende, Beck-Verlag, 3. Aufl. 2000, S. 77).

„Die Industrialisierung der Fasanenzucht kann sich wildbiologisch katastrophal auswirken.“ Schulte nennt die Einschleppung von Krankheiten aus dem Zuchtstall in die freilebende Tierwelt und die Verdrängung einheimischer Arten wie Rebhuhn und Birkhuhn.
In den „Fasanenfabriken“ würden Zustände wie in den agrarindustriellen Geflügel-KZs herrschen. „Kein Wunder, daß diese Tiere in der freien Wildbahn nicht lebenstüchtig sind.“ (Schulte, S. 145f)

Die Fasane, die heute in Deutschen Revieren herumlaufen, sind eine Kreuzung von

„Die Folgen dieses Mischmaschs von Kreuzungen waren fatal: Zwar flog der gezüchtete Fasan besser als der alte Böhmische, aber dies ist leider der einzige Vorteil. Die Zuchtrasse neigt zum Vagabundieren, sie verliert mehr und mehr ein festes Brutverhalten und scheint auch in ihrem Benehmen gegenüber Raubfeinden dümmer zu sein als die Ursprungsrassen. “ (F. K. von Eggeling, Jagdbares Federwild in Europa, in: K. G. Blüchel (Hg.), Die Jagd, a.a.O., S. 512)

Jagd auf ausgesetzte Enten — ein Geschäftsmodell

Die Freiherr-von-Spörcken GmbH betreibt oder betrieb bei Lüdersburg (Landkreis Lüneburg) nicht nur zwei Golfplätze und ein Hotel, sondern auch einen kommerziellen Jagdbetrieb sowie eine sog. Natur- und Jagdschule. Eine Behörde nahm Anstoß und erteilte bestimmte Anweisungen. Die GmbH wehrte sich mit mehreren Gerichtsprozessen bis zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Laut Gericht (4. Senat, Beschluss vom 13.7.2015) spielte sich die Sache so ab:

Die GmbH führte für „Jagdgäste in einer Jagdsaison üblicherweise fünf bis sieben Entenjagden durch, bei denen insgesamt ca. 2.000 Enten erlegt werden. Dieser Betriebsteil erwirtschaftet nach Angaben der Antragstellerin [GmbH] abzüglich der Produktionskosten zwischen 25.000,- und 27.000,- EUR pro Jahr. Die Antragstellerin verfolgt mit dem von ihr praktiziertem Aussetzen von Wildenten damit allein wirtschaftliche Zwecke“.

An mehreren Teichen setzte die GmbH in jedem Frühjahr 2000 bis 4000 Enten aus und fütterte sie vom Mai bis in den Dezember, bis sie abgeknallt wurden. Tiere auszusetzen alleine deshalb, um sie hinterher abzuschießen, sei allerdings nach dem deutschen Jagdrecht nicht verboten. Verboten sei dieses Geschäftsgebaren aber deshalb, weil in dem Revier offensichtlich kein ausreichender Lebensraum für mehrere tausend Enten vorhanden ist: „Ohne die mehrmonatige Fütterung würde sich an den Teichen der Entenbestand durch natürlichen Wegzug der Enten erheblich verringern, was von der Antragstellerin ersichtlich nicht gewollt ist.“ Enten sind Wasservögel und brauchen Wasserflächen, davon gebe es in dem Revier viel zu wenig. Das Wasser der Teiche verwandelte sich durch die Exkremente der Entenmassen und durch Futterreste in eine stinkende Brühe — im Biosphärenreservat Elbtalaue!

Auch sonst hegte die GmbH ihre Enten: mit der Jagd mit Fallen auf Füchse, Marder usw., die nicht einmal den damaligen Vorschriften entsprachen. Naturschützer wunderten sich darüber, dass am Rande des Jagdgeländes oft tote Raubvögel lagen. Sie waren wahrscheinlich an Gift gestorben.

Lüdersburg und andere Höhepunkte des edlen Deutschen Waidwerks waren Thema von „Durchgeknallt – Was bei der Jagd falsch läuft“, einer Sendung des SWR-Fernsehens von 2016, bei Youtube noch zu sehen.

Der Waschbär

Deutsche Jäger setzten 1927 und 1934 in Hessen den nordamerikanischen Waschbären aus, um ein neues Totschießobjekt zu haben (Nds. Landesjagdbericht 2003, S. 54). Heute schockieren sie die Öffentlichkeit mit der Mitteilung, dass der possierliche Allesfresser eine Gefahr für die einheimische Tierwelt sei, dass also eine „Regulierung“ durch Bejagung nötig sei. Jedoch:

Waschbär-Plage im Harz und Harzvorland. Jäger immer häufiger überfordert
[…] Das kleine Tier mit der schwarzen Augenpartie könne sich ungehindert vermehren, weil natürliche Feinde wie Luchse, Steinadler oder Wölfe fehlen, sagte Kramer [Landesjagdverband Sachsen-Anhalt].“
(CZ, 27. Okt. 2007) Und warum fehlen sie?

Deutschland besitzt die größte Waschbärenpopulation Mitteleuropas. Was stört die Jäger am Waschbären?

[…] er ist ein Raubtier. Die Ausbreitung dieser geschickten Kletterer hat negative Folgen für heimische Arten. Das bekommen Enten, aber auch die streng [!] geschützten Kormorane zu spüren, deren Gelege und Nester er zerstört.“ (Land & Forst 6/2014, S. 83)

„Waschbärjagd ist aktiver Naturschutz“, behauptet John, Kreisjägermeister von Celle seit 2021, und erläutert, wie Jäger Naturschutz buchstabieren: „‚Die Motivation, Waschbären zu jagen, ist allerdings nicht sehr groß’, weiß John. Ihr Fell sei wertlos, auch würde man die Tiere nicht essen.“ (zit. nach CZ, 1.7.2022)

Der Marderhund

Dasselbe Theater führen sie mit dem Marderhund auf, der aus Nordasien stammt und „in den 1930er bis 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts planmäßig in verschiedenen Teilen Deutschlands ausgewildert wurde.“ (Landesjagdbericht 2003, S. 52) Natürliche Feinde sind u. a. Wolf, Bär und Luchs. „Manche Marderhund-Welpen werden von Füchsen gerissen.“ (Astrid Sutor, WuH 18/2003, S. 36)

Das scheinheiligste Argument lieferte ein anderer Kreisjägermeister von Celle: Wir müssen auch den Fuchs (!) vor dem Marderhund schützen, sagte er, nachdem er verkündet hatte, wie viel tausend Füchse die Celler Jäger im gerade abgelaufenen Jagdjahr totgeschossen hatten (CZ, 8. März 2008).

Die Nutria: invasiv, schädlich oder doch jagbar?

Die Nutria (auch Biberratte oder Sumpfbiber genannt) stammt aus Südamerika und wurde in Europa in tausenden von Pelztierfarmen gezüchtet. Einige Exemplare entkamen, einige wurden ausgesetzt. Der Pflanzenfresser hat sich in Deutschland, den Niederlanden und anderswo verbreitet. Er lebt am und im Wasser und höhlt Böschungen und Deiche mit seinen Bauten aus. In den Niederlanden gilt er ganz pragmatisch als Schädling und wird massenhaft getötet, mit dem Erfolg, dass der Bestand gesenkt werden konnte.

Ganz anders im benachbarten Niedersachsen: Hier wurde die Nutria 2001 in die Liste der jagbaren Tierarten aufgenommen — und die Jägerpropaganda schilderte zur Rechtfertigung in dramatischen Worten die ungeheuren Gefahren, die von den Tierchen ausgingen. Passiert ist seitdem: Der Bestand ist explodiert, und die Tiere breiten sich immer weiter aus. Wieder rufen die Jäger (LJN) im Chor: Wir sind Jäger und keine Schädlingsbekämpfer „und lassen uns auch nicht dazu machen“! (Land & Forst 22/2018, S. 13) Eifersüchtig verteidigen sie ihr Monopol am Töten der Nutria und bekämpfen den Vorschlag, dass auch andere Personen, die evtl. speziell hierfür ausgebildet sind, die Tiere töten dürfen.

Während sich die Niederlande ausdrücklich die Ausrottung zum Ziel gesetzt haben, wandern aus Niedersachsen Nutria ein.

„Die Motivation der Jäger, diese Arten [Nutria und Marderhund] zu jagen, ist relativ gering“, gibt der Kreisjägermeister von Celle zu (CZ, 25.1.2022). Und wenn Wildschweine an der Oder Deiche zerwühlen, stört das auch keinen deutschen Jäger.

A propos „invasive Arten“

Mit diesem Thema versuchen Jäger, sich bei Naturfreunden beliebt zu machen, wobei sie fest darauf vertrauen, dass letztere schon wieder vergessen haben, was die Jäger selbst alles ausgesetzt haben. Auf der Liste der hundert schlimmsten invasiven Arten, die die „Invasive Species Specialist Group“ (ISSG, issg.org) der internationalen Naturschutz-Organisation IUCN veröffentlicht, stehen auch solche von den Jäger gehegten und gepflegten Arten wie Wildschwein, Wildkaninchen und Rothirsch.

„In einer australischen Untersuchung konnte gezeigt werden, wie stark der Verlust an neugeborenen Lämmern von der Dichte dieser feral pigs [Wildschweine oder verwilderte Hausschweine] abhängt. Bis zu ein Drittel der Lämmer wurde bei Dichten von knapp sechs Sauen auf 100 Hektar erbeutet. […] Damit liegen in Australien die Verluste an Lämmern durch Sauen deutlich höher als diejenigen durch Füchse (bis zu acht Prozent). In den USA hatten Untersuchungen zum Verlust von Kälbern bei Weißwedelhirschen durch Sauen ganz ähnliche Ergebnisse erbracht.“ (Prof. Pfannenstiel, Den Sauen zum Fraß, a. a. O.)

„Möblierung der Landschaft“

Ständig fahren die Sitz-Jäger mit Autos im Wald herum, manche mehrmals täglich, immer den Futtersack dabei. Sie verschandeln die Landschaft mit Hochsitzen im Abstand von 100 m und halten Erinnerungen an die DDR-Grenze wach. Einige legen Todesstreifen an: Sie fräsen regelmäßig den Waldboden, um bequem — vom Auto aus — die Wildspuren zu zählen.

Nur Dilettanten und Tattergreise brauchen Hochsitze!

„Mag auch die Pirsch stets die Krone des Waidwerks bleiben — sie fordert vom Jäger höchste Aufmerksamkeit und bietet dem Wild mehr als jede andere Jagdart gleichgewichtige Chancen — , so werden doch viele Jäger, sei es mit Rücksicht auf ihr Alter oder als Jagdgast aus mangelnder Erfahrung im Pirschen, auf Hochsitze angewiesen sein, um den erforderlichen Abschuß erfüllen zu können.“ (Goede Gendrich, Jagen: Verantwortung oder Lust am Töten?, Neumann-Neudamm 1990, S. 140 und 133)

Die Ansitzjagd ist die vorherrschende Form der Jagd und ist nicht nur nicht geeignet, die überhöhten Wildbestände zu reduzieren, sondern setzt sie im Gegenteil voraus, damit der Jäger nicht zu lange warten muss. Schließlich ist der Jagdgast zumeist ein zahlender Jagdgast. „Diese Jagdart ist vor allem für den gehetzten Jagdpächter aus der Stadt wichtig“ (Koch, S. 38).


Mehrstöckiger Hochsitz bei Rebberlah (Landschafts­schutzgebiet Südheide), ausgestattet mit einer Gasheizung. Mehrere dieser monströsen Bauwerke stehen im LSG, wo ein normaler Sterblicher schon Ärger bekommt, wenn er nur zu laut lacht.

„Ich habe auch schon auf Kanzeln gesessen, die Drehschemel mit Rückenlehne, Auflegevorrichtung, Bodenbelag von Torfmull, einen Aschenbecher und sogar ein Schutzdach hatten; es fehlte nur noch ein Zeitungsschrank und eine Kellnerin, dann war das Kaffeehaus fertig. Mancher liebt so was, mancher auch nicht, und dazu gehöre ich.“

Hermann Löns, Kraut und Lot, Ein Buch für Jäger und Heger, Hannover 1911 (Hervorhebung von mir, J. A.)

Morsche oder zusammengebrochene Hochsitze lassen sie grundsätzlich stehen bzw. liegen, obwohl sie zu deren „unverzüglichen“ Beseitigung in Niedersachsen gesetzlich verpflichtet sind.

Ein jagender Bauunternehmer im Kreis Celle und Bürgermeister von der christlichen Schwarzgeldunion verbuddelte vor einigen Jahren Bauschutt in seinem Revier, wofür er bestraft wurde. Später wurde er wegen mehrjähriger Beschäftigung eines (eines?) Schwarzarbeiters zu 100 Tagessätzen zu je 120 Euro verurteilt. Das hat ihn für einige Jahre den Jagdschein gekostet. Bezeichnenderweise ist ihm aber nicht der Jäger H. E. Meyer, der im Landkreis für die Schwarzarbeitsbekämpfung zuständig war, auf die Schliche gekommen, sondern die Sache wurde der Staatsanwaltschaft durch einen wirklich dummen Zufall bekannt.

Bleiverseuchung durch die Jagd

Mit ihren Bleigeschossen (3000 bis 4000 Tonnen jährlich in Deutschland) verseuchen sie Boden, Gewässer und auch das Fleisch der Tiere. Daran stirbt ein erheblicher Teil von fleischfressenden Tieren, z. B. Adler („Jeder vierte der in Deutschland gestorbenen Seeadler verendete durch eine Überdosis Blei im Blut“, Die Zeit, 16. April 2009), und von Wasservögeln:

„Besonders betroffen sind Enten, denn zur Verdauung brauchen sie kleine Kieselsteine, die sie vom Boden aufnehmen und schlucken. Enten können zwischen gefährlichen Schrotkörnern und harmlosen Steinchen nicht unterscheiden. Werden diese Schrote von den Wasservögeln geschluckt, zersetzt die Magensäure das Blei in lösliches Bleisalz, das in den Blutkreislauf gelangt und sich in den Nieren und in der Leber anreichert und dadurch zu einer schweren, möglicherweise tödlich verlaufenden Vergiftung führt.“ (Carlo Consiglio, Vom Widersinn der Jagd, Zweitausendeins-Verlag, 2001, S. 184)

Menschen, die Wildfleisch essen, sollten auf das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hören:

Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Kinder bis 7 Jahre werden vom BfR vor den gesundheitlichen Risiken von Wildbret gewarnt, das mit Bleimunition erlegt wurde.“ (DJZ 12/2011, S. 10)

Der DJV ist selbstverständlich gegen ein allgemeines Verbot von Bleimunition und führt angebliche technische Probleme sowie eine angeblich schlechtere Tötungswirkung von bleifreier Munition ins Feld – alle Bundes- und Landesforstverwaltungen schreiben ihren Jägern schon seit Jahren deren Verwendung vor.

Die Celler Jäger sind stolz auf einen nagelneuen, supermodernen Schießstand. Dafür hat ihnen der Landkreis Geld in Höhe eines Jahresbetrages der Jagdsteuer zurückgeschenkt. Die Stadt Celle dagegen hat nicht nur nichts gespendet, sondern kommt auch noch mit kleinlichen Bedenken daher: Jedes Jahr verballern die Jäger dort einige Tonnen Blei, das könnte doch langfristig das Grundwasser verseuchen. Ein Wasserbauingenieur und Hobbyjäger sagte: Liegenlassen kommt uns am billigsten (CZ, 8. März 2012). Neun Jahre später wird angekündigt, dass der Schießstand bald saniert werden soll. Von den 520 000 € Kosten übernehmen das Land Niedersachsen und der Landkreis Celle zusammen 350 000 € (CZ, 6. Juli 2021).

Ein Regenwurm, der sein Leben auf einem Schießstand verbracht hat, kann genügend Blei enthalten, um einen Vogel zu töten.“ (SZ, 4. März 2013)

Waldsterben von unten

Rehe und Hirsche fressen Bäume und Büsche kahl, Hirsche und Mufflons ziehen außerdem die Rinde von Bäumen ab. Die dritte Bundeswaldinventur ergab, dass 10 % der Nadel- und 33 % der Laubbäume, die zwischen 20 cm und 130 cm hoch sind, verbissen sind. Damit behindert das Wild – also die Jäger – die aus vielen Gründen wünschenswerte Umwandlung von Nadel- in Laub- und Mischwald.

„Durch Rotwild hervorgerufene Schälschäden an Fichte“

Text oben und Fotos oben und rechts aus: Christian Ammer, Torsten Vor, Thomas Knoke, Stefan Wagner, Der Wald-Wild-Konflikt, Göttingen 2010, S. 49 (Fotos: H. Wölfel, C. Kiffner)
Lizenz: Creative Commons 3.0 "by-nd"

Wo das Wild die Rinde abgeschält hat, läuft Harz heraus. Die offene Wunde ist ein Einfallstor für Fäulniserreger.

Wenn das Wild ausgesperrt wird, kann sich der Wald entwickeln

Foto: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Weisergatter.png, Urheber: Dama764
Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international“. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

„Ein Beispiel für Schäden durch Wild: Die drei kleinen Fichten im Vordergrund sind genauso alt wie die großen im Hintergrund – regelmäßiger Verbiss der jungen Triebe durch Reh- oder Rotwild.“

Text und Bild aus dem Jahresbericht 2000 der niedersächsischen Landesforstverwaltung, S. 18

Die Ausführungsbestimmungen zum niedersächsischen Jagdgesetz werden nirgendwo eingehalten: „Die in einem Waldgebiet vorkommenden Hauptbaumarten müssen sich i. d. R. ohne Schutzmaßnahmen verjüngen lassen.“ Stattdessen sind große Teile des Waldes eingezäunt.

Seit den fünfziger Jahren schon verhallt ungehört „der Ruf des Forstmannes […], wenn er wegen des Wildverbisses keinen Mischwald mehr aufbauen kann oder bestimmte Holzarten wie etwa die wertvolle Tanne nur mehr im Zaun hochbringt.“ (Koch, S. 40) Das Wild hat mitgeholfen, die Tanne auf die Rote Liste der gefährdeten Pflanzen zu bringen. Das nennen einige Förster „Waldsterben von unten“ (Bode/Emmert, S. 221).

Sogar das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte einst zugegeben:

„Es ist jedoch auch festzustellen, dass zu hohe Pachtpreise vielfach mit zu geringen Abschüssen beim Schalenwild einhergehen, was mit überhöhten Wildschäden insbesondere im Wald verbunden ist. In Waldrevieren können Wildschäden und Kosten für Wildschutzmaßnahmen die erzielten Jagdpachterträge sogar übersteigen.“ (Jagd und Entwicklung des ländlichen Raums über archive.org)

Andere sehen das anders und rechnen vor, „dass das Jagdrecht einen handfesten materiellen Wert verkörpere und mitunter Renditen erziele, die sich hinter dem forstlichen Einkommen nicht zu verstecken brauchen“ („Hände weg vom Bundesjagdgesetz“, Das Landvolk, Mitteilungsblatt des niedersächsischen Landvolks — Landesbauernverband e. V., 1.12.2000, S. 5). Oder mit den schlichteren Worten meines jagenden Nachbarn, eines Agrar- und Jagdunternehmers: „Soll doch das Wild den Wald auffressen; mit der Jagd kann man mehr Geld verdienen als mit dem Holz.“

Auch neuere Berechnungen ergeben: „Die Jagdeinnahmen decken meist nicht einmal die Zaunbaukosten.“ (Land & Forst, 7/2009, S. 63). Niedersachsen subventioniert den Bau von Zäunen zum Schutz des Waldes vor dem Wild mit bis zu 5,70 Euro pro laufendem Meter. Zäune kosten nicht nur Geld beim Aufbau, sondern müssen auch noch ständig kontrolliert und repariert werden: Wildschweine drücken oft Zäune hoch, um darunter hindurch zu kriechen.

„Diese Löcher im Zaun werden dann auch durch das Rehwild als Zugang zur Gatterfläche genutzt, was zu höheren Verbissschäden im Zaun als außerhalb des Zauns führen kann.“ (S. 50) „Allein die Tatsache, dass überhaupt Verbiss hinter Zäunen auftritt, ist inakzeptabel und führt zu der Folgerung, dass Schutzmaßnahmen weder aus Sicht der verursachten Kosten noch aus Sicht ihrer Wirksamkeit ein Mittel zur Lösung des Wald-Wild-Konflikts sein können. Gegen die Subventionierung von Wildzäunen in Wäldern sprechen auch die Ergebnisse einer Studie, die Stadermann (2009) vorlegte. Er analysierte 43 zufällig ausgewählte Zaunflächen im Forstamt Leinefelde (Thüringen). Dabei erwiesen sich 56 % aller Zäune im Privat- und Kommunalwald und 13 % der Zäune im Staatswald als undicht.“ (S. 98) Christian Ammer, Torsten Vor, Thomas Knoke, Stefan Wagner, Der Wald-Wild-Konflikt. Universitätsverlag Göttingen, 2010. Im Internet frei erhältlich (PDF)

Der niedersächsische Landesrechnungshof bezeichnete die Schäden durch zu hohe Rotwildbestände im Kreis Celle wiederholt als nicht mehr hinnehmbar: Mit 1,9 Mill. DM Steuergeldern geförderte Aufforstungen seien geschädigt, zum Teil „durch die Rotwildschäden sogar zerstört worden.“ Verantwortlich sei die Jagdbehörde des Landkreises, die zu hohe Wildbestände dulde (Jahresbericht 1999, S. 113). Das stieß, wie immer, auf taube Ohren. Im Jahresbericht 2013 hieß es schon wieder:

„Überhöhte Schalenwildbestände müssen wirksamer verringert werden. Im niedersächsischen Wald entstehen jährlich Kosten von 3,6 Mio. € für den Bau von Zäunen.“ (S. 107)

Naturpark Südheide: Sogar der Kreisjägermeister Celle bezeichnet die Gegend als eines von mehreren Rotwild-„Ballungsgebieten“ (CZ 8. März 2008). Hier ist Ackerbau nur hinter mannshohen Zäunen möglich.

 

Diesen Zaun ließ ein ehemaliger Kreisjägermeister von Celle bauen:

Es ist die Regel, dass die Abschusspläne nicht erfüllt werden, obwohl es das Bundesjagdgesetz in § 21 ausdrücklich verlangt. Z. B. wurden im Hegering Steinhorst von 102 freigegebenen Rehböcken nur 59 abgeschossen (CZ, 29. Dez. 1998). Das findet seinen Grund darin, dass das Töten von Hirschen und Wildschweinen den Jägern einen höheren Lustgewinn verschafft als das von Böcken, sind sie doch nur der „Hirsch des kleinen Mannes“. Wenn in einem Revier über viele Jahre hinweg immer nur ein Sechstel der Rehe erschossen werden, die nach dem Abschussplan hätten getötet werden müssen, dann drückt die Jagdbehörde Celle beide Augen zu, auch wenn es dort dreimal so viele Rehe gibt, wie sie selbst für die Forstwirtschaft als „tragbar“ festgesetzt hat. Wenn die Jäger den Abschussplan für Rotwild nur zu 82% erfüllen, halten sie das schon für eine außerordentliche Leistung (CZ, 4. März 2002). Manchmal erfüllen sie ihre Pflicht nur zu 50% (CZ, 7. März 2019). Wie viele Abschüsse davon wirklich stattgefunden haben und wie viele nur sprichwörtliche Postkartenabschüsse waren, ist sowieso offen.

Wer weniger schießt als der Abschussplan vorschreibt, dem drohen keine Sanktionen. Eher wird der Plan dem Unvermögen oder der Unlust des Waidmanns angepasst und gesenkt (CZ, 7.12.2022). Nur wer mehr schießt, bekommt Ärger.

Übrigens: „Wo der Wolf geht, wächst der Wald.“ (Sprichwort)

Hilft ein Roboter-Wolf?

Auch Japan würde von Rehen, Hirschen und Wildschweinen geplagt werden, schreibt die Frankfurter Allg. Zeitung am 23. Sept. 2017 und berichtet über allerlei Versuche, der Plage Herr zu werden: „Eine besonders kuriose Idee hatte eine Firma auf Japans nördlichster Hauptinsel Hokkaido, die mit der Universität Tokio einen Roboter in Wolfsgestalt zur Abschreckung von Wildschweinen und Rehen gebastelt hat. Doch ob all das ausreicht, um die Plage zu bekämpfen, ist zweifelhaft. […] Die einzige wirksame Lösung wären Wölfe, und zwar echte, sagte schon vor Jahren Naoki Maruyama, Ehrenprofessor an der Agrar-Universität in Tokio.“ In Japan wurden die Wölfe 1905 ausgerottet.

Bayern: Zunahme der Verbissschäden im Wald

Das Forstliche Gutachten 2018 verzeichnet einen allgemeinen Anstieg der Wildschäden, besonders stark an Laubbäumen und an der Tanne.

Landwirtschaftministerin „Kaniber lobt Jäger dennoch.“ (jagderleben.de, 12.12.2018). Das hat ihrem jagenden Kabinettskollegen und Vizechef Aiwanger („Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben“) sicher gefallen.

 

Jagen auf Staatskosten in Niedersachsen, Teil 1

Das hochverschuldete Niedersachsen leistet sich so manchen Luxus in seinen Wäldern (Landesforsten). Der niedersächsische Rechnungshof stellte fest: „Ein sehr hoher Kostenanteil des Jagdbetriebs in Höhe von rd. 2,1 Millionen DM entfällt auf die persönliche Jagdausübung der Forstbediensteten.“ Diese widmeten 8 % der Dienstzeit ihrem Hobby (Jahresbericht 2001, S. 148). Viele Forstbeamte haben ihren Beruf deshalb ergriffen, weil er mit einer kostenlosen Jagdmöglichkeit verbunden ist.

Außerdem stellte der Rechnungshof fest, dass die Kosten für Gesellschaftsjagden in den Landesforsten über 1,3 Mill. DM betrügen und dass keine Teilnahmegebühren erhoben würden (S. 147). Gleichzeitig entstünden fast 5,2 Mill. DM an Wildschutzkosten für Zäune u. a. Die Wildbestände seien zu hoch, die Abschusspläne zu niedrig angesetzt und würden noch nicht einmal eingehalten werden. Auf nur 4 % der bejagbaren Flächen in der Landesforsten sei das Jagdrecht verpachtet. Das Land verzichte somit auf mehrere Millionen DM Einnahmen, obwohl die Landesforstverwaltung 1999 ein Defizit von 100 Mill. DM erwirtschaftete.

Es drängt sich die Vermutung auf, dass eine Reihe von Politikern, Ministerial- und Forstbeamten die Jagd im Landesforst als ihre persönliche Pfründe betrachten: Ein Drittel des begehrten Rotwildes Niedersachsens wird in den Landesforsten erlegt, und in den meisten Bundesländern brauchen jagende Spitzenpolitiker keine Abschussgebühren zu bezahlen (Bode/Emmert, S. 305, Anm. 152). In dieses Bild passt, dass der Rechnungshof im Jahresbericht 2000 das Landwirtschaftsministerium scharf dafür gerügt hat, dass es der Landesjägerschaft (LJN) außer projektbezogenen Zuwendungen in Millionenhöhe noch zusätzlich alljährlich Geldgeschenke von 380 000 DM gemacht habe, wofür es nicht die mindeste Begründung gebe.

Ein besonderes jagdliches Juwel ist der Nationalpark Harz im Eigentum der Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt:

„Etwa 50 Prozent der Fichten und rund 20 Prozent der Buchen im niedersächsischen Teil des Harzes sind durch Rotwild-Verbiss geschädigt. […] Insgesamt gibt es im Westharz aber nicht zu viele Hirsche, so Forstdirektor Rieckmann.“ (CZ, 1.3.2003)
Die Zahl der Rothirsche hat sich in 25 Jahren in diesem Teil des Harzes fast verdoppelt (CZ, 10.2.2018).
„Liebhaber zahlen für den Abschuss eines Hirsches je nach Geweihgröße bis zu 3.000 Euro in die Landeskasse.“ (Land & Forst 17/2009)
Dafür wird das Wild zumindest im Winter regelmäßig gefüttert (Abbildungen aus Land & Forst 7/2010 vom 18. Feb. 2010).

Besonders dramatische Auswirkungen haben die Waldschäden im Gebirge, wo der Wald eine wichtige Schutzfunktion gegen Schneelawinen und Erdrutsche hat. Der Forschungsbeirat der Bundesregierung und der Länder „Waldschäden / Luftverunreinigungen“ nahm in seinem 3. Bericht von 1989 kein Blatt vor den Mund:

„Besondere Probleme bietet im Zusammenhang mit natürlicher Verjüngung der oft zu hohe Wildbestand. Vernichtender Verbiß der jungen Pflanzen, der in tieferen Regionen durch (teuren) Gatterbau verhindert werden kann, bedeutet im Bergland, ganz besonders im Alpenraum, durch die bei hohem Schnee nicht schützenden Zäune, das Ausbleiben jeglicher Verjüngung.“ (S. 589f)

Der Forschungsbeirat forderte den Gesetzgeber auf:

„[…] zu einer Reduktion des Wildes muß er sich endlich gegen alle jagdpolitischen Interessen aufraffen, damit wenigstens der Bergwald in Anbetracht seiner landschaftsökologisch besonders gewichtigen Bedeutung als Schutzwald stets stabil bleibt oder wieder stabilisiert wird.“ (S. 590)

Die Übervölkerung bei den Rehen stößt manchmal sogar bei Jägern auf Kritik: Es leiden nämlich — die Trophäen:

„Das Rehwild hat leider durch ungenügenden Abschuß in den letzten 20 Jahren derart zugenommen, daß es als durchweg parasitenverseucht und degeneriert angesehen werden kann. Die Jäger des Landkreises werden es sich zur Aufgabe machen müssen, durch gezielten Hegeabschuß unseren Rehwildbestand auf einen natürlichen Stand zu bringen, der dem gebotenen Biotop entspricht. Jagd ist kein Hobby, sondern eine regulierende, volkswirtschaftliche und kulturelle Aufgabe.“ (Frederik-Thorwald von Bothmer, Wild und Waidwerk, in: Der Landkreis Celle, hg. Oberkreisdirektor Bruns, Oldenburg 1966, S. 173.) Bothmer war von 1964 bis 1991 Kreisjägermeister. In seiner Amtszeit explodierten die Bestände von Rot- und Schwarzwild ebenso, wie die Bestände von Birkhuhn, Rebhuhn usw. zusammenbrachen. Die höflich angemahnte Dezimierung des Rehbestandes fand nicht statt. Er bekam das Bundesverdienstkreuz „für seine Naturschutzarbeit“ verliehen (CZ am 28. Juli 2008 zu Bothmers 85. Geburtstag).

Jagd schafft Arbeitsplätze!

Stolze 32 Arbeitsplätze für Berufsjäger gibt es in Niedersachsen. Die übrigen 58 972 unprofessionellen Jäger opfern dagegen ihre karge Freizeit, um wie Kleingärtner Bäume zu pflanzen. Deshalb schrieben der damalige Bauernminister Ehlen und seine Jagdkumpel von der LJN im niedersächsischen Jagdbericht 2002 völlig zu Recht: „Jagd ist kein Hobby“, sondern eine anspruchsvolle Tätigkeit mit „vielfältigen Aufgaben“, von denen keine erfüllt wird:

„Jägerinnen und Jäger sind vom Gesetzgeber in ihrem Wirken dem Interesse der Allgemeinheit verpflichtet. Sie haben für einen artenreichen Wildbestand zu sorgen, der an die landschaftlichen und landeskulturellen Gegebenheiten angepasst werden muss.“ (S. 28) „Junge Bäume sind naturgemäß dem Verbiss durch Rehwild, Rotwild oder Damwild ausgesetzt. Der Wildbestand muss daher an bestimmten [!] Standorten gezielt und für überschaubare [!] Zeiträume abgesenkt werden, ohne dass der Erhalt der Art im betreffenden Raum in Gefahr geraten darf. Intensiv diskutieren [!] Jägerinnen und Jäger, Jagdbehörden, Waldbesitzer und Forstleute, um das jeweils passende Maß zu finden.“ (S. 4)

Jäger können nicht zählen

In den Hegerichtlinien des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums von 1986 waren für den Reh-, Rot-, Schwarz- und Damwildbestand verbindliche Obergrenzen vorgeschrieben. Die Obergrenze für den Rehbestand wurde 1993 gestrichen mit der aufschlussreichen Begründung, dass Jäger den Bestand immer zu niedrig einschätzen, also nicht zählen können.

Dazu gibt es ein berühmtes Beispiel, das auch in Jägerkreisen sehr bekannt ist: Auf der winzigen dänischen Insel Kalø sollte das einheimische Rehwild ausgerottet werden, „um es durch einzuführende Tiere zu ersetzen“, vermutlich in der Hoffnung auf prächtigere Gehörne. Den Bestand hatte man „durch genaue [!] Zählungen auf 70 Stück geschätzt [!]“ (Kalchreuter, Die Sache …, S. 200). Am Ende wurden 213 Tiere getötet.

Um über ihre völlige Unwissenheit hinwegzutäuschen, hat sich die Landesjägerschaft Niedersachsen 1991 die Wildtiererfassung (WTE) einfallen lassen, an die die Jäger irgendwelche Zahlen melden können, die niemand kontrolliert. Es beteiligen sich ohnehin nur ein paar Prozent der Jäger. Der Landesjagdbericht 2010/2011 resümiert: „Die tatsächliche Bestandsdichte der Schalenwildarten ist immer noch weitestgehend unbekannt.“ (S. 74; vgl. WuH 6/2012, S. 18-23) Deshalb ist es nur folgerichtig, dass Ehlen ganz „praxisnah“ schon 2004 die Hegerichtlinien insgesamt gestrichen hatte. Nun dürfen die Bestände ins Uferlose wachsen, trotz Beschwerden von Forstexperten wie dieser:

„Naturverjüngung, Kulturbegründung ist bei genügender Flächengröße bei der Hälfte der Betriebe ohne Zaun möglich, Voranbau nicht immer. Angepasste Wildbestände sind jedoch nur in wenigen Betrieben zu verzeichnen. […] Es bedarf grundsätzlicher Klärung hinsichtlich der weiteren Jagdpolitik des Landes.“ (Bericht zur jährlichen Überprüfung und Kontrollstichprobe der Region Niedersachsen 2002 (PDF) im Rahmen der Pan-Europäischen Zertifizierung der Forstwirtschaft (PEFC))

 

Jagen auf Staatskosten in Niedersachsen (Teil 2): Das „Schweinodrom“ am Deister

Die „paradiesischen Tage“ im Saupark Springe am Deister scheinen sich dem Ende zuzuneigen: Hier werden hinter einer 16 km langen Mauer künstliche Wildbestände in extremer Höhe erzeugt, um „dem glühenden Schwarzwildfieber der prominenten Gäste“ der niedersächsischen Landesregierung zu gehorchen. Niedersachsen hat den Saupark samt Jagdschloss vom Feudalismus geerbt und weitergepflegt: Hier jagten der König von Hannover, der Deutsche Kaiser sowie Nazibonzen, danach demokratische Minister und Ministerpräsidenten mit ihrem Gefolge sowie Geburts- und Geldadel.

Das Klischee von der dusseligen Diplomatenjagd passte auf den Saupark sicher nicht“, zitiert WuH den heutigen Leiter des Sauparks und steuert folgende Anekdote bei:

„Verzeihliche Sünden kommen indes vor: So streckte seine Exzellenz, der Botschafter von Kasachstan, bei einer Jagd mit sauberen Schüssen das zur Blutauffrischung frisch ausgesetzte und mit gelben Ohrmarken versehene Damwild nieder, weil er es mit sibirischen Rehen verwechselt hatte.“ (Zitate aus WuH 20/2013, S. 41-47, Autor: Lutz G. Wetzel).

Die Inzucht ist ein Dauerproblem bei solchen Jagdgehegen, deshalb wird oft Wild von außerhalb ausgesetzt. Manchmal wird vorher die komplette Tierart im Gehege ausgerottet.

Landwirtschaftsminister Meyer (Amtszeit 2013-2017) von den Grünen wollte, dass die künstlich hochgehaltenen Bestände gesenkt und dass es keine Extra-Trophäen für besondere Personen auf Kosten des Steuerzahlers mehr geben würde. Da kam Wehmut auf: „Ende einer bewährten Tradition“ (DJZ 9/2013, S. 70). Andere Jäger nennen den Saupark ein Jagdbordell.

Pakistanischer Staatspräsident Ayoub Khan zu Besuch in Deutschland
Vorbereitungen zur Jagd auf Schwarzwild im Saupark Springe (Hannover)

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General Ayoub Khan hatte sich 1958 an die Macht geputscht und blieb bis 1969 Staatspräsident.

Sorgen eines jagenden Ministerialrats

Heimo van Elsbergen, Jagdreferent im Umweltministerium Nordrhein-Westfalens, bedauert die sinkende Akzeptanz der Jagd in der Bevölkerung und die „Verdrängung des Todes“, den er den Tieren beschert:

„Immer extremere Forderungen von Natur- und Tierschützern kommen auf: 'Da reicht die Bandbreite der Forderungen von der tierschutzgerechten Jagdausübung über Jagd als bloße 'Schädlingsbekämpfung' bis zur gänzlichen Abschaffung der Jagd', so der Referent. Aber auch ein rückläufiger Anteil der Jäger unter den Parlamentariern in Bund und Ländern — 'Heute sind Golf und Tennis schicker als die Jagd' — machen es nicht leichter. Seine These: 'Jäger haben sich fast 150 Jahre lang ihre Gesetze selbst gemacht. Dies gilt heute nicht mehr.' Kaum noch ein Parlamentarier in Bund und Ländern ist Jäger und wenn, dann outet er sich selten.“ (Pirsch 15/2001, Beilage „Jägerbote für Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen“, S. 4)

So warb Wild und Hund jahrelang für sich selbst, z. B. in Nr. 4/2012

Töten als sportliche Herausforderung

„Dieser Keiler lässt Jägerherzen höher schlagen.“ (Text und Bild: Wild und Hund Nr. 23/2011, Seite 4)

Die Jäger jagen nicht, um Wildschäden zu begrenzen, im Gegenteil: Sie treiben ihn durch ihre Zucht- und Mastaktivitäten (Hege) in die Höhe. Wenn eine Wildsau (Bache) bis zu zweimal jährlich acht Frischlinge gebiert, von denen einige noch im ersten Lebensjahr selber wieder Nachwuchs bringen, dann kann der Jäger ein exponentielles Wachstum des Bestandes erzeugen, ohne einen Finger krumm machen zu müssen. Und wenn Bauern dann immer öfter Schadensersatzforderungen stellen, soll gleich das Jagdrecht geändert werden, um die Kosten abzuwälzen:

„Das Schwarzwild hat sich [!] über ganz Niedersachsen verbreitet. Und wenn ein Jäger vor einem 30 ha großen Maisfeld steht, hat er keine Chance einzugreifen.“ So bringt LJN-Präsident Dammann-Tamke den Dilettantismus seiner Hobby-Jägerschaft auf den Punkt. Messerscharfer Schluss: Der Mais, also der Bauer ist Schuld. „Auch Landwirte tragen einen Teil der Verantwortung.“ (Land & Forst 25/2008, S. 52) Mittlerweile fordert er, dass im niedersächsischen Jagdgesetz die „wirtschaftlichen Nutzungsinteressen der Grundstückseigentümer“ gegenüber der Jagd ganz in den Hintergrund zu treten hätten (https://www.ljn.de/ueber-uns/aktuelles/news-artikel/news/niedersaechsischen-jagdgesetz, 26.08.2021).

Die Jäger jagen auch nicht, um sich einen Sonntagsbraten zu verschaffen. Den könnten sie sogar beim Biobauern billiger bekommen. Jagdverbände erzählen, dass ein Jäger 20 bis 40 Stunden auf dem Hochsitz herumsitzt, bis er ein Wildschwein erschießt.

Auf den Treib- und Drückjagden verteilen sich die Einschüsse über den ganzen Tierkörper und entwerten das Fleisch für den menschlichen Verzehr. „Flucht, Stress, Weichschüsse — Drückjagd-Wildbret genießt nicht den besten Ruf“, gibt sogar Wild und Hund zu (Heft 23/2012, S. 29). Der Förster Peter Wohlleben beschreibt die Sache so:

Viele Schüsse „zerfetzen Mägen und Därme. Deren Inhalt wird durch die Wucht des Geschossaufpralls in das umliegende Fleisch gedrückt, und wenn Sie diesen Pansengeruch einmal gerochen haben, wissen Sie, warum manches Wild so wild schmeckt.“ (Gebrauchsanweisung für den Wald, Piper-Verlag 2017, S. 64)

Außerdem ist das Fleisch der männlichen Tiere, die sie in der Brunftzeit töten, ungenießbar.

Aber der Jäger „ist Weidmann, und nicht Bratenschütze, und das Gehörn ist ihm die Hauptsache“, schrieb Hermann Löns ironisch über den modernen Jäger im beginnenden 20. Jahrhundert. (Kraut und Lot, Kapitel Der Überjäger).

Der DJV gibt an, dass die Deutschen Waidmänner im Jahr 2022 1,8 Milliarden Euro für ihr Hobby ausgegeben hätten, aber ihre Jagdbeute habe – großzügig gerechnet – nur einen Wert von 217 Millionen gehabt (Jagdjahr 2020/21). Dabei wird jeder getötete Fuchs mit 15 € angesetzt usw. usf.

Sie töten der „jagdlichen Freuden“ und der Trophäen wegen, die sie sich als Beweis ihrer Intelligenz und ihres Mutes in die Wohnung hängen und deren Wert sie nach einer hochkomplizierten Formel bis auf zwei Stellen hinter dem Komma genau berechnen (internationale CIC-Punkte) — Körperteile von Wiederkäuern, die diese im Winterhalbjahr sowieso verlieren. Also schießen die Jäger vor allem männliche Tiere ab, und die weiblichen können und sollen weiter Nachkommen in die Welt setzen.

„Als vergnüglicher Zeitvertreib erhält die Jagd leicht einen sportlichen Touch und bekommt Züge der Selbstdarstellung.“ Diese Art der Jagd hat „die Lust des Jägers zum Ziel.“ (Seeben Arjes, Pirsch Heft 23/2000, S. 7)
Jagd ist „sportliches Schießen auf bewegliche, lebende Ziele in angenehmer Gesellschaft“ (Horst Stern, 1975, zit. nach Bode/Emmert, S. 18)
„Kill for Cash-Party“ (Arjes)

Trophäenkult: Wer solche Abwurfstangen irgendwo in der Landschaft findet und mitnimmt, ohne dort jagdausübungsberechtigt zu sein, wird wegen Wilderei bestraft.

Erlaubte und geprüfte Tierquälerei

Weil es mit ihren Schießkünsten nicht weit her ist, wehren sie sich gegen die Forderung, in regelmäßigen Abständen eine Art Schieß-TÜV absolvieren zu müssen. Bode/Emmert spotten, viele Jagdfunktionäre müssten dann um ihre Jagdscheine fürchten. Nicht einmal die Pflicht zur bloßen Teilnahme an Übungen (ohne Prüfung) wollen die Jagdverbände hinnehmen. — Mancher schießt mit einem Gewehr, das ein Ziel auf 100 m um 25 cm verfehlt (F. T. v. Bothmer, in: CZ, 5. Jan. 2002).

Auch die Schießfertigkeit läßt im allgemeinen zu wünschen übrig, besonders, wenn es um Flugwild geht. Wieviele Jäger haben darin noch Übung? Wieviele kommen mehr als ein- bis zweimal im Jahr zu einer Flugwildjagd, wieviele nur alle paar Jahre einmal? Tontaubenschießen zur Übung! Gut, aber die Ente streicht vielfach höher, der Fasan schneller und auch die Schnepfe oft anders als die konstant fliegenden Tontauben am Skeet- und Trapstand.“ (Kalchreuter, Die Sache …, S. 53).
Nach Untersuchungen in Skandinavien muss man annehmen, dass auf je zwei erlegte Wildgänse eine weitere entfällt, die ebenfalls von Schroten getroffen, aber nicht sofort getötet wurde. Mit anderen Worten: mindestens jede dritte beschossene Gans fliegt verletzt, mit Schroten im Körper, davon. Sie mag überleben. Sie mag aber auch nach längerem Siechtum sterben.
Dänische Biologen nehmen nach Auswertung umfangreichen Untersuchungsmaterials an, dass die Zahl der mit Schrot beschossenen und verletzten Vögel die Zahl der erlegten übertrifft. Sie halten es für wahrscheinlich, dass ähnliche Relationen auch für Schüsse auf anderes Niederwild, etwa Hasen oder Wildkaninchen, gelten können.“
(Arbeitsgemeinschaft naturnahe Jagd Schleswig-Holstein)

Es ist nicht zu erwarten, dass sich an dem Zustand etwas ändern wird: Wild und Hund schätzt, dass kaum mehr als 5000 Jäger regelmäßig einen Schießstand aufsuchen, um dort zu üben (5.1.2005).

„Leider aber begegnen uns auf den Jagden des öfteren Gäste, die als unzuverlässige Schützen bekannt sind und aus Prestigegründen dennoch immer wieder eingeladen werden.“ (Gendrich, S. 120).

Zu den Grundsätzen der Deutschen Waidgerechtigkeit, die sie in Sonntagsreden gerne zitieren, gehört es, angeschossenes Wild schnellstmöglich zu verfolgen und zu töten (sog. Nachsuche). Für die Prüfung lernt der Jäger etwas völlig anderes: „Wann sollte nach einem Nierenschuß die Nachsuche begonnen werden?“ Falsch ist die Antwort: „unverzüglich“. Korrekt ist: „frühestens nach ca. 3 Stunden“. So schreibt das niedersächsische Landwirtschaftsministerium in seinem Katalog von Fragen und Antworten zur Vorbereitung auf die Jägerprüfung, Fachgebiet 3 - Naturschutz, Hege und Jagdbetrieb, Frage Nr. 478.

Abbildung aus: Schulte, Der Jäger

Flüchtet ein angeschossenes Tier in ein andres Revier, so darf es der Jäger keineswegs sofort verfolgen, sonst wäre er ein Wilderer. In Niedersachsen ist in einer umständlichen Prozedur vorgeschrieben, zuerst den Nachbarjäger herbeizuholen. Wichtiger als das Leid des Tieres ist die Frage, wem die Trophäe und das Fleisch gehören sollen.

Weil die vorherrschende Jagd gegen den Naturschutz und den Tierschutz verstößt, gibt es in jeder Natur- und Tierschutzvorschrift Ausnahmeklauseln, z. B.: Es ist verboten, „ein Tier auf ein anderes Tier zu hetzen, soweit dies nicht die Grundsätze weidgerechter Jagdausübung erfordern“ (Tierschutzgesetz, § 3 Nr. 8). Besonders grausam geht es zu, wenn Hunde in Fuchsbaue geschickt werden.

Und eines haben Deutsche Waidmänner sogar mit Muslimen gemein: auch sie dürfen Tiere ohne vorherige Betäubung töten (§ 4).

Jedes Jahr erschießen Jäger in Deutschland zig-tausende von angeblich oder tatsächlich wildernden Hunden und hunderttausende Katzen, manchmal vor den Augen des Besitzers (Initiative Abschaffung der Jagd). Nach der Rechtsauffassung der Jäger wildert ein Hund schon dann, wenn er ohne Leine herumläuft: Er sei „abstrakt gefährlich“. Ein Jäger erzählte mir, er würde den Hunden, die er erschossen hat, das Fell abziehen und an den Eigentümer schicken. Die meisten verbuddeln den Hund sofort an Ort und Stelle.

In aller Öffentlichkeit stellen sie die Frage, ob ihre Mitbürger nicht zu viele Hunde besäßen (CZ 19.4.2001). Jeder Jäger dagegen besitzt mindestens einen und braucht keine oder nur die halbe Hundesteuer zu bezahlen. Im Wald hängen sie Plakate auf mit dem Text „Auch dein Hund wildert“ und dem Foto eines Rehs, aus dessen aufgerissenem Bauch das Gedärm hervorquillt. Dass auf manchen Treibjagden bis zu einem Drittel der gehetzten Tiere von ihren Hunden zerrissen wird (Pirsch 26/1998), ist in der Öffentlichkeit wenig bekannt. Es werden auch Bullterrier und Pitbulls eingesetzt (Pirsch 17/2000). „Sorge um die Verrohung der Jagd, insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsatz von Jagdhundemeuten“ – so zitiert WuH (16/2013, S. 69) den Vorsitzenden der Jagdkynologischen Arbeitsgemeinschaft (ein Verein für Jagdhunde).

„Spaßfaktor Wildschweinjagd“

Bei Hermann Löns kann man nachlesen, dass Jäger geradezu enttäuscht sind, wenn ein beschossenes Wildschwein sofort tot ist, weil sie es lieben, solche Szenen wie die abgebildete zu erleben:


(Foto: Sven Born, DJZ 12/2012, S. 60)

Das Wildschwein ist allerdings nicht krank, sondern angeschossen. Von zwei Jagdhunden gehetzt, kämpft es mit dem Tode. Der Jäger wird ihm — aus lauter Gnade — ein Messer in den Leib rammen.

Die Jäger schwärmen von einem „Nahkampf”.

Man kann sich das Geld für die Patronen aber auch sparen: Man kann Jagdhunde sofort, ohne zu schießen, auf Wildschweine hetzen, und, nachdem die Hunde sich in ein Schwein verbissen und zum Halten gebracht haben, es mit einer Saufeder, einer Lanze, abstechen. Ein Jäger fand das so geil, dass er mehrere Videos von sich auf Youtube gestellt hat. Leider hat er nun einen Strafbefehl des Staatsanwaltes über 4800 € erhalten und musste den Jagdschein abgeben:

„Die Hunde hätten die Stücke [Tötungsobjekte!] 'an der Kehle, den Ohren oder dem Rüssel' festgehalten. Laut Strafbefehl sei das einzige Ziel gewesen, dass die Wildschweine 'derart zu erschöpfen, dass sie mit einer sogenannten 'Saufeder' erlegt' werden könnten. Dies sei teils erst nach Minuten erfolgt und dadurch seien erhebliche Schmerzen und Leiden billigend in Kauf genommen worden.“ (jagderleben.de, Hannah Reutter, 11.07.2020)

Denn wenn wir mit voller Überzeugung und geradem Rücken sagen: 'Wir lieben die Jagd, weil sie uns erfüllt und Freude macht', dann nimmt man uns Naturschutz, Hege und Pflege viel bereitwilliger ab.“ (WuH 22/2012, Editorial, S. 3)

Tierquälerei durch Jagd mit Fallen

Zur Jagd auf das verhasste Raubwild werden auch Fallen — Tötungsautomaten — eingesetzt, weil es so bequem ist. Dieses ist nach dem Tierschutzgesetz (§ 13) erlaubt. Da gibt es zum einen Fallen, die das gefangene Tier sofort töten sollen.

„In der Regel wird das in die Falle gegangene Tier nicht sofort getötet, es erleidet vielmehr leichte bis schwere Verletzungen, meist Knochenbrüche. Nicht selten bleibt es Stunden oder Tage gefangen, jedenfalls so lange, bis der Fallensteller seine Fallen kontrollieren kommt. In der Zwischenzeit kann es sich nicht vor Hitze oder Kälte schützen, auch nicht vor Raubtieren. Einigen gefangenen Tieren gelingt es, sich zu befreien, aber oft bleibt ein Teil der Pfote in der Falle. Manchmal beißen die Tiere sich selbst die festsitzende Pfote ab, um freizukommen.“ (Consiglio, S. 206f)
„Ein Problem mit allen Fallen, die augenblicklich zum Tod führen sollen, liegt darin, dass sie nicht selektiv sind. Es gibt sie in verschiedenen Größen, die so ausgelegt sind, dass sie Tiere unterschiedlicher Art auf der Stelle töten. Wenn aber statt der Tierart, auf welche die Falle eigentlich ausgelegt ist, ein Tier einer anderen Art in die Falle geht, dann wird es nicht getötet, entweder, weil es zu groß ist oder weil es nicht an der richtigen Körperstelle getroffen wird.“ (Consiglio, S. 208f)

Der ehemalige Berufsjäger Bruno Hespeler berichtet aus seiner früheren Praxis:

„Alles haben wir im Schwanenhals gefangen: den Bussard an Ständern [Beinen] wie den Waldkauz an den Schwingen [Flügeln], die Wildkatze an den Branten [Pfoten] und die Sau überm Wurf [über ihren Frischlingen]. […] Muss ich da, wo Luchs, Wildkatze oder Fischotter vorkommen, ein Eisen [Falle] stellen?“ (Interview in Wild und Hund, 3. Juni 2020)

Dann gibt es noch die Lebendfallen, kasten- oder röhrenförmige Gebilde, die eine Art Todeszelle für das Tier sind.

„Fraglich bleibt allerdings, was für ein Tier denn besser sei: unverletzt und am Leben in einer Falle zu sitzen oder möglichst schnell und ohne langes Leiden getötet zu werden.“ (Consiglio, S. 210)
„Bei der Fallenjagd handelt es sich um eine waidgerechte Hegemaßnahme. Beutegreifer (besonders das Wiesel) werden kurz gehalten und Streuner (besonders wildernde Katzen) ausgeschaltet.“ (Blase/Pettinger, S. 513) „Nach Fangerfolg tötet man das Tier mit einer Kurzwaffe [Pistole, Revolver] oder läßt es in einen Sack laufen, mit dem man es fest auf den harten Boden prellt. Katzen lassen sich mit einigen Tropfen Baldrian anlocken.“ (S. 467)

Niemals würde es einem Deutschen Waidmann in den Sinn kommen, Rehe oder Hirsche in Fallen zu fangen. Das wäre ein empörender Verstoß gegen die althergebrachten Grundsätze der Deutschen Waidgerechtigkeit.


Schussrichtung Dorf

Die Jäger sind eine Gefahr für die Allgemeinheit

Immer wieder liest man solche Nachrichten:

  • „Pferd schnaubt – Jäger schießt“. Der Jäger war der Meinung: Alles, was schnaubt, ist ein Wildschwein (DJZ 9/2011).

  • Jäger schießt auf ein Reh — die Kugel landet in der Küche eines 500 m entfernten Wohnhauses und verfehlt die Hausfrau nur knapp (DJZ 12/2011).

  • Jäger schießt — eine Frau stirbt in ihrem Garten.

  • Jäger schießt — ein sechsjähriges Mädchen in einem Garten wird schwer verletzt.

  • Jäger schießt auf ein Reh — auf seinem Trecker stirbt ein Bauer („leider kein Einzelfall“ — WuH 19/2003, S. 24).

  • „Sachsen-Anhalt: Erneut wurde ein Mähdrescherfahrer bei einer Fuchsjagd von einem Jäger angeschossen.“ (DJZ, Feb. 2006)

  • „Häckslerfahrer angeschossen“ — diesmal in Sachsen. Der Jäger hatte etwas rascheln gehört (DJZ 12/2011).

  • Beifahrer in einem Pkw durch Kugel aus einem Jagdgewehr getötet. Der Pkw fuhr auf einer Bundesstraße. In der Nähe fand eine Gesellschaftsjagd statt.

  • Kugel aus einem Jagdgewehr schlägt in das Fenster eines fahrenden, besetzten Personenzuges ein.

  • Jäger schießt auf eine Taube. 100 Schrotkugeln treffen vorbeifahrenden Pkw.

  • Jäger schießt auf Frau, die sich in einem Maisfeld Maiskolben pflückt, und verletzt sie schwer. Der Jäger hatte etwas rascheln gehört. Die Frau verbringt den Rest ihres Lebens im Rollstuhl.

  • Jäger schießt auf Liebespaar in einem Maisfeld. Der Mann war sofort tot, die Frau schwer verletzt. Der Jäger hatte Geräusche gehört.

Von der Gewalt gegen Tiere zur Gewalt gegen Menschen ist es nur ein kleiner Schritt. Aus dem Streckenbericht 2008, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • „Im saarländischen Schiffweiler erschoss ein Jäger am 5. November erst seine Ehefrau, dann sich selbst. Einen Monat vorher hatte ein Jäger im niedersächsischen Jesteburg erst seine Ex-Freundin, dann den Hund und danach sich selbst umgelegt.

  • Im August verübte ein Jäger in Frankfurt am Main Selbstjustiz: Er erschoss einen Mann, der nachts angeblich in einen Kleingarten einbrechen wollte.

  • Im hessischen Main-Kinzig-Kreis erlegte ein Jäger Mitte Juni seinen Nachbarn, mit dem er immer wieder gestritten hatte.

  • Ein betrunkener Jäger schoss nach der Kirchweih auf Jugendliche (in Oberfranken), ein anderer auf Spaziergänger (in Köln) — sie überlebten. Im Gegensatz zu einem Kneipengast in einem Hagener Ausflugslokal, der einen alkoholisierten Waidmann gereizt hatte.“

(Spiegel 13/2009, S. 44)

Manchmal erschießen sich die Jäger auch gegenseitig. Mancher nimmt sich einen guten Schluck mit auf den Hochsitz, und nach vollbrachter Heldentat fließt der Alkohol in Strömen („Tottrinken“). Jäger dürfen ab 1 ½ Stunden vor Sonnenaufgang bis 1 ½ Stunden nach Sonnenuntergang schießen — also auch, wenn andere (?) die Hand vor Augen nicht mehr sehen. „Je älter der Jäger wird, desto größer wird sein Erfahrungsschatz, desto geringer aber seine Sehkraft“ (Jäger 5/2000, S. 56). Wildschweine dürfen auch nachts beschossen werden. Selbst modernste Technik hilft nicht immer: „Trotz Wärmebildkamera: Jäger verwechselt Pony mit Wildschwein“. Der Schuss fiel gegen 23 Uhr (jagderleben.de, Eva Grun).

Es gibt Jäger mit Herzschrittmachern, Alkoholiker (wie Hermann Löns), Choleriker, Halbblinde, Parkinson-Kranke — sie dürfen mit tödlichen Waffen herumlaufen. Mancher Greis hat nicht mehr die Kraft, auf einen Hochsitz zu klettern, muss aber trotzdem noch seine Jagdpassion ausleben. „Aber er schießt doch nur noch mit Schrot“, sagte man in meinem Dorf entschuldigend über einen Parkinson-Jäger.

Bode und Emmert behaupten, dass manche Zeitgenossen die Jägerprüfung, das sogenannte Grüne Abitur, einzig deshalb ablegen, um einfach und legal Waffen erwerben zu können. Die Jäger „dürfen sich so viele Büchsen und Flinten anschaffen, wie in den Land Rover passen, nur bei den Pistolen und Revolvern sind sie mit zweien am Limit.“ (Spiegel 13/2009, S. 44).

„Untersuchungen etwa der Entenjagd am Bodensee oder letztes Jahr bei der Gänsejagd an der unteren Mittelelbe haben gezeigt: Wenn die Gans zu Boden fällt, ist es nicht selten ein Kranich.“ (Bode im Spiegel 26/1998, S. 150) „Schwan statt Kormoran erlegt — Freispruch“ (DJZ 9/2011, S. 68)

Das mangelnde Wissen über die Natur, die mangelnde Schießfertigkeit sowie den allgemeinen Zeitmangel der „Erholungsjäger“, wie er die Hobbyjäger nennt, beklagt sogar Dr. Kalchreuter in seinem Buch „Die Sache mit der Jagd“, für das er den Preis für Öffentlichkeitsarbeit 1978 des DJV erhielt, wahrscheinlich deshalb, weil er die dümmste anzunehmende Rechtfertigung der Jagd vertritt: Die Tiere sterben doch sowieso eines Tages!

„Bei uns — und woanders noch mehr — ist die Jagd politisch gewollt in der Hauptsache eine Freizeitbeschäftigung, die nach relativ geringer Ausbildung ausgeübt werden darf. Das jägerische Handwerk kann jeder in passionierten Lehrjahren gründlich erlernen. Andererseits bieten Jägerschnellkurse an, in wenigen Wochenenden auch ein naturfernes Kurzzeitgedächtnis für die baldige Prüfung hinreichend aufzurüsten.“ (Arjes, a.a.O., S. 5)

Insider berichten, dass, wer nur über die richtigen Beziehungen verfüge, die Jägerprüfung bereits bestanden habe, und dass man mit genügend Geld auch ohne bestandene Prüfung zum Schuss kommen könne. Bei der Führerscheinprüfung fallen mehr Kandidaten durch als beim „Grünen Abitur“. In NRW fallen sogar nur 7 % der Jägerkandidaten durch, sagt eine Jungjägerin (SZ, 31.3.2018). „Der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) macht macht sich Sorgen über die sinkende Qualität der Ausbildung und den schleichenden Niveauverlust bei Jägerprüfungen verschiedener Bundesländer.“ (WuH 15/2012, S. 8)

Ausführlich: Wie Franz-Josef Strauß und andere Polit-Prominente die Jägerprüfung bestanden.

„Die Zahl der Unfälle bei der Jagd sind in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen“, schreibt die landwirtschaftliche Sozialversicherung Niedersachsen-Bremen in ihrem Mitteilungsblatt „Sicher leben“, Heft 5/2002, S. 11, und verdeutlicht den Leichtsinn von Jägern in einer für die Grünen Abiturienten didaktisch angemessen aufbereiteten Bildgeschichte in vier Teilen:

Hier pfeift Jagdneuling Balduin
auf Jagdvorschrift und Disziplin,

macht trotz Verbot 'ne Flasche leer,
trägt ungesichert sein Gewehr,

kraucht so durchs Unterholz im Wald,
hängt fest und peng, da hat's geknallt.

Sein Hut saust weg, Gamsbart halbiert.
Fast wäre Schlimmeres passiert.

Jäger bekommen Angst!

„Die Saison der Drück-/Bewegungsjagden beginnt, und häufig gehen damit die beunruhigenden Meldungen über Jagdunfälle einher. Manchmal muss sogar über Todesfälle berichtet werden, in letzter Zeit ist die u.a. Verwendung der bleifreien Munition mit ihrem unwägbaren Abprallverhalten und damit verbundenen Unfällen in die Schlagzeilen gekommen. […] Gerade bei den anstehenden Maisdrückjagden ist die Gefahr groß: Hunde und Hundeführer sind im Mais unterwegs, draußen lauern die Schützen, um bei der geringsten Bewegung — manchmal vorschnell — tätig zu werden. So stellt es sich zumindest vielen Jagdteilnehmern dar, die darum laut verkünden, niemals mehr an einer Maisjagd teilzunehmen — aber so muss es nicht sein!

Verband der Jagdaufseher Niedersachsen, gefunden am 24. August 2008

Den kann man nicht mit einem Wildschwein verwechseln!
Vorbildlicher Jäger in vorbildlicher Haltung und Ausrüstung, wie von der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niedersachsen empfohlen.

(Foto: Berufsgenossenschaft, nach CZ vom 3. Sept. 2011)

Wildunfälle: 940 Mill. € Schaden durch ein exklusives Hobby

Die wachsenden Wildbestände führen zu vermehrten Verkehrsunfällen durch Wild. Der ADAC hat nachgerechnet, dass sich seit 1990 die Zusammenstöße mit Wildschweinen in Deutschland verzehnfacht haben (HAZ, 31. Jan. 2002).

Der größte Teil der Wildunfälle wird durch Rehe verursacht. Rehe würden „im Regelfall Straßen kaum kreuzen, wenn sie dazu nicht durch Überhege und falsche Bejagung gezwungen wären“ (Bode/Emmert, S. 174). Denn jeder Rehbock beansprucht ein Territorium exklusiv für sich und vertreibt Nebenbuhler. Je stärker die Übervölkerung, desto heftiger die Kämpfe und Verfolgungsjagden. Der Öffentlichkeit erzählen die Jäger lieber die rührselige Geschichte vom liebestollen Bock, der „blind vor Liebe“ der Ricke hinterher vor's Auto läuft. Die Jäger bitten um „angepasste Geschwindigkeit, besonders an Wald- und Feldrändern“, also überall (CZ, 18. Juli 2008 und sonst noch dreimal in jedem Jahr).

Polizist Lühmann, Vorsitzender der Kreis­jäger­schaft Celle 2011-2012. Seine Frau vertrat das Volk von Celle und Uelzen im Bundestag.
Foto: Peter Müller, CZ, 4. April 2011.

Helmut Genthe, damals Verkehrssicherheitsexperte der Celler Polizei:

Die Maßnahmen zur Unfallverhütung sind nach Ansicht Genthes ausgereizt. 'Wir arbeiten eng mit Jägern zusammen. […]'“ (CZ, 10. Okt. 2002)

Genthe verschweigt geflissentlich, dass er selbst Jäger ist. Deshalb fordert er seine Jagdkumpel, von denen viele Polizisten sind, auch nicht zur Senkung der überhöhten Wildbestände auf, sondern empfiehlt den Autofahrern ein Sicherheitstraining bei der Verkehrswacht für nur 70 Euro, um zu lernen, wie man richtig (?) reagiert, wenn ein Tier plötzlich 20 Meter vor dem Fahrzeug auftaucht.

„Eine eigene Statistik zu Wildunfällen veröffentlichen Genthe und seine Kollegen schon seit zwei Jahren nicht mehr. Nicht weil sich das Problem entschärft hätte.“ (ebd.)
„Bis vor kurzem warnten unzählige Schilder vor der haarigen Gefahr. Über Sinn und Unsinn dieser Massen-Beschilderung befaßte sich eine Verkehrssicherheitskommission und kam zu dem Schluß: Der Schilderwald wird abgeholzt. Denn gerast wird sowieso.“ (CZ, 7. Jan. 1999)

Die Jäger warnen: „Dem Leittier, das der Fahrer im Lichtkegel seiner Scheinwerfer sieht, folgen meist drei bis fünf Tiere nach. Es empfiehlt sich: Fernlicht aus, anhalten und warten.“ (bis zum Morgengrauen? — Celler Blickpunkt, Okt. 2002). Zugleich geben sie den fürsorglichen Rat, ein Ausweichmanöver erst gar nicht zu versuchen, was oft an einem Baum ende – ein Drittel der Baumunfälle sind in Wahrheit Wildunfälle. Immerhin hängen die Jäger Reflektoren an den Straßen auf (z. B. ausgediente CDs), die das Wild gleichermaßen wie die Autofahrer verwirren.

ADAC-Motorwelt, Dez. 2006

Irgendwo im Gebiet des Hegerings Hermannsburg …

Hier bei Kiel auf der B 202 wird ein Jägertraum wahr: Vorfahrt für das Wild! Die Wechselverkehrszeichenanlage brauchten natürlich nicht die Jäger zu bezahlen. In Ostholstein wird das Damwild so intensiv gehegt, dass es sich quasi gegenseitig auf die Füße tritt.

Quelle: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/markt/Wildunfall-Lebensgefahr-fuer-Autofahrer,markt12470.html

… und der ADAC schenkt den Jägern Geld

Mittlerweile ist im Kreis Celle (wie auch in den Nachbarkreisen) jeder vierte Verkehrsunfall ein Wildunfall und das Wild mit deutlichem Abstand zur häufigsten Unfallursache überhaupt aufgestiegen. In der amtlichen Statistik taucht es trotzdem nicht auf! Die 954 gemeldeten Wildunfälle in 2007 wurden nur mündlich als Zusatzinformation mitgeteilt (CZ: „Die Moral der Celler Autofahrer sinkt“, 5. März 2008).

Die Unfallstatistik des Landes Niedersachsen erwähnt das Wort Wildunfall noch nicht einmal und versteckt diese Unfallart unter der Rubrik Sonstiges (40%). Zugleich sinniert man über das Phänomen der Baumunfälle (Plötzlich stellte sich mir ein Baum in den Weg …).

Die Reflektoren, die die Jäger schon seit den sechziger Jahren anbringen, haben nichts geholfen. Einige versuchen es mit Gestank: Man verbreitet Gerüche, die das Wild glauben lassen sollen, dass Raubtiere auf den Straßen herumliefen.

„Das Wild wird den Wechsel weiterhin vornehmen, allerdings viel vorsichtiger“, sagt ein gewisser Fedrowitz vom ADAC (CZ, 12. April 2007).
„Der ADAC bietet künftig allen Jägern im Landkreis Celle an, sie bei der Unfallvorbeugung zu unterstützen. Ein Koffer mit dem Duftschaum, dem Duftstoff-Konzentrat und der Spritzpistole kostet 200 Euro, Kosten, die der ADAC einmalig übernehmen will. […] Einige Jagdpächter wie etwa Kreisjägermeister Hans Knoop befürchten, dass sich das Wild auch an die Duftstoffe gewöhnen könne und dann wieder unbeirrt auf die Fahrbahn läuft. Das glaubt der Automobilclub aber nicht.“ (CZ, ebd.)

Ein Jahr später verkündeten die Celler Jäger, „dass trotz der im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit dem ADAC verstärkt eingesetzten Duftzäune die Zahl der Verkehrsopfer speziell beim Rehwild nochmals angestiegen ist“ (CZ, 31. Mai 2008). Die Idee mit dem Duftzaun ist ein Jahrzehnte alter Hut (vgl. Zeitschrift für Jagdwissenschaft, 1994, S. 91-108).

Kornblume (Centaurea cyanus)
… und vergissmeinnicht die Blaumeise!

Wildunfälle im Kreis Celle
Seit 2011 werden immer mehr blaue Reflektoren montiert. Was beweisen diese Zahlen der Celler Polizei?

Nachdem rote Reflektoren nichts bewirkt haben, schrauben die Celler Jäger seit 2011 tausende blaue an die Leitpfosten, die genauso wenig nützen. Warum blau? „Die Farbe Blau kommt in der Natur nicht vor“, schreiben die staatlich geprüften Naturexperten (CZ, 11. Mai 2013) — kornblumenblau!

Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beziffert den Schaden durch Wildunfälle im Straßenverkehr für 2021 auf 940 Mill. Euro, Tendenz: steigend. Das Ergebnis seiner neunjährigen Untersuchungen im Oberbergischen Kreis (NRW):

„Der Wildunfall ist ein andauerndes und durchaus schwerwiegendes Problem der Verkehrssicherheit. Er kann unabhängig von der Erfahrung und dem Fahrkönnen jeden Kraftfahrer treffen. Für keine der bislang diskutierten und angewandten Maßnahmen (Duftbarrieren, optische (optisch/akustische) Reflektoren, Rückschnitt der Hecken und Sträucher am Straßenrand oder Wildwechselschilder) konnte in der Untersuchung eine wirksame Reduzierung der Unfallzahlen nachgewiesen werden.“ (GDV/UDV) Das gilt ausdrücklich auch für blaue Reflektoren. (www.udv.de/blaue-reflektoren)

Darauf antwortet die Crème de la Crème der Celler Jägerschaft zusammen mit ihren Helfershelfern in der Celler Polizei: „Enorm, was Reflektoren bringen“. Beweis: Wenn von einem Jahr zum nächsten die Zahl der Wildunfälle zurückgeht, dann spricht das voll für die Reflektoren. Wenn ein Jahr später die Zahl wieder steigt, spricht das überhaupt nicht gegen die Reflektoren. „Die steigenden Zahlen müssen andere Ursachen haben“, sagt der pensionierte Celler Polizist Kroll (www.cellesche-zeitung.de/Celler-Land/Aus-dem-Landkreis/Enorm-was-Reflektoren-bringen, 6.12.2018).

Diese kabarettreife Vorstellung hat den Landkreis Celle bewogen, den Jägern 1000 neue blaue Reflektoren im Wert von 5000 € zu schenken (CZ, 9.7.2020). Zusätzlich sollen auch die doofen CZ-Leser Geld spenden.

Der Ökologische Jagdverein Bayern schreibt kurz und bündig: „Die Schadenshäufigkeit kann durch eine Reduktion des Wildbestandes nachgewiesenermaßen um bis zu 90 % reduziert werden.“

Oliver Wittke, Politiker und Jäger

„Weitere Verfehlungen belasten die politische Karriere des zurückgetretenen NRW-Verkehrsministers Oliver Wittke (CDU). Der 42-Jährige war bisher durch wiederholte Raserei (zuletzt 109 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft) und zweifachen Führerscheinentzug aufgefallen. In seiner dreieinhalbjährigen Amtszeit musste Wittke nach FOCUS-Informationen auch zweimal Bußgelder bezahlen, weil Polizeistreifen ihn bei Handy-Gesprächen am Steuer seines Autos erwischt hatten. Seinen Führerschein verlor der flotte Unionsmann das erste Mal vor etwa 20 Jahren: wegen Alkohols am Steuer.“ (FOCUS 8/2009, S. 16)

Beim ADAC ziehen offensichtlich konservative Jäger die Strippen. „Wildunfälle vermeiden — aber wie?“ hieß der scheinbar naive Titel einer Tagung im April 2008, die der ADAC gemeinsam mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat und dem Deutschen Jagdverband (DJV) veranstaltete. Der Schirmherr der Veranstaltung, Wittke, ist passenderweise selbst Jäger und war damals Verkehrsminister (siehe Kasten rechts). Herr Wittke hat dafür gesorgt, dass sein Hobby keinen Schaden leidet: „Es gilt, die Datenlage zu verbessern und Statistiken zu vereinheitlichen“, das war das welterschütternde Fazit der Veranstaltung (ADAC-Motorwelt 5/2008). Außerdem tritt ausgerechnet der ADAC, dem Tempolimits sonst ein Gräuel sind („Freie Bürger fordern freie Fahrt“), für ein Tempo von weniger als 80 km/h auf Landstraßen ein! (ebd.)

„ADAC-Tipp: Einfach langsamer fahren“

(haz.de, 23.10.2018)

Spätestens seit dem „Pilotprojekt Cham“ 1987 in der Oberpfalz (Spiegel 13/1988) führt der ADAC ein Projekt nach dem anderen gemeinsam mit den Jägern durch. Das folgende Bild gibt das wissenschaftliche Niveau dieser Projekte hervorragend wieder:

Der ADAC warnt vor Elefanten und Nashörnern auf Deutschlands Straßen

(Celler Kurier, 14. Okt. 2012)

Eine Frage an die vielen Ingenieure, die für den ADAC arbeiten: Wie schnell muss ein Fiat 500 fahren, um sich in einen Rolls Royce Phantom zu verwandeln?

Habt Ihr womöglich Einsteins Relativitätstheorie missverstanden?

Masse = Kraft = Impuls = kinetische Energie?

Nicht einmal Tempo 30 schützt vor Wildunfällen

„Autofahrer sollten auch in Celle auf Wild achten. […] Selbst in stadtnahen Gebieten kommt es zu Wildunfällen. So ist in der Fischerstraße in der Tempo-30-Zone im Bereich der Fuhsebrücke regelmäßig Rehwild direkt an der Straße zu beobachten. Dort ist es zwischen der Brücke und der Westerceller Wohnbebauung im vergangenen Jahr zu einem Wildunfall gekommen. Glücklicherweise hatte die Fahrerin die Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten, sonst wäre Personenschaden wahrscheinlich gewesen.“ (CZ, 14. Mai 2005)

Foto: Celle, Fischerstraße

Auch Radfahrer fahren zu schnell …

Die CZ berichtete am 3. und 5. Dez. 2009, dass ein Radfahrer morgens auf dem Weg zur Arbeit am Dorfrand von Müden (Örtze) mit einem Reh zusammenstieß und sich drei Rippen brach.

Radfahrer kollidiert mit Wildschwein (djz.de, 20.10.2023). Der Radfahrer kam ins Krankenhaus, der Schaden am Rad ist dreistellig.

… ebenso die Berliner S-Bahn, und der ICE sowieso

Im November 2017 stieß ein ICE westlich von Berlin mit Wildschweinen zusammen. Der ICE war danach nicht mehr fahrbereit, die 400 Passagiere mussten umsteigen und erreichten ihr Ziel mit fast vier Stunden Verspätung (br.de). Im Januar 2018 stieß ein ICE auf der Strecke Hamburg-Berlin mit einem Hirsch zusammen. Die Strecke wurde in beiden Richtungen für zwei Stunden gesperrt. Die Berliner S-Bahn hat häufiger Zusammenstöße mit Hirschen zu beklagen (www.tagesspiegel.de, 8. Jan. 2018).

„bundesweit einmaliges Projekt“

Wenn es darum geht, von eigenen Verfehlungen abzulenken, ist die Phantasie der Jäger schier unerschöpflich. Jedes von Jägern aufgestellte rote Holzgestell markiert einen (gemeldeten) Wildunfall aus den vergangenen drei Monaten — hätten Sie's gewusst? Die Straße links führt nach Hösseringen. Hösseringen nennt der Kreisjägermeister Celle ein Rotwild-„Ballungsgebiet“, von denen es mehrere gebe (CZ 8. März 2008), und der Chef des benachbarten staatlichen Forstamts Unterlüß prangert an, dass in den umliegenden Revieren „die Erwirtschaftung von Jagdpachten im Vordergrund stehe“ (Land & Forst 11/2010, S. 62), weswegen der Wald großflächig verbissen sei. — Die Straße rechts führt an einem Truppenübungsplatz entlang.

Die eleganteste Methode, mit den Wildunfällen fertig zu werden, ist, sie wegzudefinieren. So geschehen zum Jahresanfang 1995. Seitdem werden Wildunfälle in der amtlichen Statistik nur noch dann gesondert aufgeführt, wenn auch ein Mensch zu Schaden gekommen ist oder wenn ein Fahrzeug abgeschleppt werden musste und eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen wurde: „Ab 1995 werden 50 % weniger Wildunfälle registriert.“ (gefunden beim ADAC, Autor: Kerzel, Polizeikommissar a. D. und Jäger).

Jägerpräsident für neue Autobahn

Dammann-Tamke, Jäger und Bauer, d. h. Betreiber einer Agrarfabrik, ehemaliger Landtagsabgeordneter und Präsident der Niedersächsischen Landesjägerschaft e. V. (LJN) legt Ein klares Bekenntnis zur A20! ab. (Link über archive.org)

Der DJV schrieb im Jahr 2003: „[…] der zunehmenden Zerschneidung und Zersiedlung der Landschaft stellen sich die Jägerschaften als anerkannte Naturschutzverbände intensiv entgegen (vgl. Klage des LJV [Landesjagdverbands] Schleswig-Holstein gemeinsam mit NABU und BUND im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zur A 20 […])“ (Das Bundesjagdgesetz – Forderungen und Tatsachen, S. 20 — über archive.org).

Des weiteren ist Dammann-Tamke dagegen, die armseligen letzten Reste der niedersächsischen Moore vor der Zerstörung durch die Landwirtschaft zu retten, auch wenn dadurch Lebensraum des vom Aussterben bedrohten Birkhuhns zerstört wird. Gleichzeitig besitzt er die Unverfrorenheit, sich als Vogelschützer filmen zu lassen (Youtube) im selben Land Kehdingen (Kreis Stade), wo die heißersehnte A 20 gebaut werden soll.

Das alles hat ihn dazu qualifiziert, 2023 auch zum Präsidenten des DJV aufzusteigen – genau der richtige!


Deutschlands Autobahnen sind heute weitgehend eingezäunt. Die Zäune „gehen seit neuester Zeit zu Lasten des Bundesfernstraßenhaushaltes“, stellten Blase/Pettinger 1988 befriedigt fest (S. 194). Damals waren es erst 900 km. Da aber Zäune dem heiligen Hirschen die Lust zum Wandern nehmen, erheben seine Verehrer immer lauter die Forderung nach speziellen, 50 bis 100 m breiten Wildbrücken, Stückpreis 2 bis 4,5 Mill. Euro, und nach Wildtunneln. Das trägt absurde Blüten:

„Beim Bau der Autobahn zwischen Dresden und Prag sollte für zehn Millionen Euro ein Tunnel gebaut werden, damit das Wild gefahrlos die Trasse queren kann. Nur: Die schützenswerten Birkhühner halten sich dort nicht auf. Die Umgebung ist landwirtschaftlich geprägt 'ohne bedeutende Tiervorkommen'. Der Tunnel wird nun nicht gebaut.“ (auf Intervention des Bundesrechnungshofes; HAZ, 14. Dez. 2005)

Der ADAC stößt ins selbe Horn wie die Jäger: Es gebe nur 36 Wildbrücken in Deutschland, 30 000 wären nötig (ADAC-Motorwelt, 4/2008); macht lächerliche 60 000 000 000 Euro mindestens.

Wenn trotz Zaun und Tunnel Wildschweine auf der Autobahn herumlaufen — wer ist dann Schuld? Der Zaun!

Vom Zaun in die Enge getrieben

„Wilde Jagdszenen haben sich am Sonnabendvormittag auf der A 2 im Hämelerwald abgespielt: Eine Rotte Wildschweine mit 25 Tieren hatte einen Zaun durchbrochen und drei Unfälle verursacht. […] Ausgelöst hatte das Chaos vermutlich eine sogenannte Drückjagd in dem südlich der Autobahn gelegenen Teil des Waldgebietes. Hunde scheuchten die Wildschweinrotte im Hämelerwald offenbar auf und versetzten sie derart in Panik, dass das fast 90 Kilogramm schwere Leittier einen Wildschutzzaun an der A 2 durchbrach. […] Laut Petersen [Revierförster und Jäger] hat sich die Rotte wohl wegen einer Ecke in dem sonst geraden Zaun in die Enge getrieben gefühlt. Möglicherweise haben Jäger auch in der Nähe eines Wildtunnels, einem Durchlass unter der A 2, geschossen und so die Sauen verschreckt. Der Revierförster will sich dafür einsetzen, dass so etwas nicht mehr geschieht. Die Polizei vertritt die Ansicht, dass es nicht mehr zu klären sein wird, welche Sau warum auf die Autobahn lief.“ (HAZ, 3. Nov. 2003)
„Erneut Hirsche auf der A 7“ bei Westenholz, trotz Zaun (HAZ, 19. Okt. 2006).

So sieht es aus, wenn Jäger Wildbestände regulieren!

Klassische und afrikanische Schweinepest

Wildschweine verbreiten immer wieder die klassische Schweinepest (KSP), eine für Haus- und Wildschweine tödliche Krankheit, die allein 1994/95 in Niedersachsen einen Schaden von 1,5 Mrd. DM verursachte. Damals kam der kühne Vorschlag auf, die Fütterung von Wildschweinen zu verbieten. Die jägerfreundliche Lösung sieht dagegen so aus: Die Behörden und die landwirtschaftlichen Tierseuchenkassen – letztere müssen den von der KSP heimgesuchten Bauern Entschädigung zahlen – schenken den Jägern Geld für eine Schluckimpfung der Wildschweine gegen KSP. So können die Bestände weiter steigen, die Folgekosten zahlen andere.

2002 beschloss das niedersächsische Landwirtschaftsministerium ein „umfassendes Maßnahmenpaket“, nachdem allein in den ersten acht Monaten des Jahres 2002 27 neue Fälle von Schweinepest bei Wildschweinen aufgetreten waren: Die Schweinehalter werden verpflichtet, ihre Höfe wildschweindicht einzuzäunen, was „eine erhebliche Belastung“ sein kann — für die Bauern. Die Jäger brauchen nichts zu tun. Falls sie sich einmal dazu herablassen, ein junges Wildschwein (Frischling) mit bis zu 10 kg Gewicht abzuschießen, bekommen sie 50 Euro geschenkt. Das bezahlen je zur Hälfte die Tierseuchenkasse und der niedersächsische Steuerzahler (Landvolk, 16. Aug. 2002).

„Die Prämie bietet aber offensichtlich keinen Anreiz, zu schießen.“ (Weser-Kurier online, 24. Mai 2003) Denn mit erwachsenen Wildschweinen kann man mehr Geld machen: Üblicherweise zahlen Gast-Jäger 200 Euro für die bloße Teilnahme an einer Treibjagd; die erschossenen Schweine werden gesondert abgerechnet: „Allein für das 'Gewaff' (Eckzähne) eines 80-Kilo-Keilers muss der Schütze 600 Euro zahlen und das Fleisch dann noch mal extra pro Kilo.“ (CZ, 7. März 2009)

In vielen europäischen Ländern sind die Wildschweine schon vor Jahrhunderten ausgerottet worden; seit langem beobachten dänische Schweinezüchter mit Sorge, dass deutsche Wildschweine auf die Staatsgrenze zu marschieren, und wollen für jedes in Schleswig-Holstein (!) erlegte Wildschwein eine Prämie von 250 Euro zahlen. Das ist mehr, als ein Hausschwein einbringt. Dazu der Landesjagdverband Schleswig-Holstein: „Die Angst der Dänen ist völlig überzogen.“ (CZ, 10. Aug. 2002) Denn auch Wildschweine adeln ein Jagdrevier zum Hochwildrevier. Im Jahr 2019 baute Dänemark an seiner Grenze zu Deutschland einen Zaun gegen die Wildschweine: eineinhalb Meter hoch, einen halben Meter tief in der Erde, 6 Mill. Euro teuer. Ein paar Tiere hatten es offensichtlich noch rechtzeitig vorher über die Grenze geschafft; das letzte davon wurde zwei Jahre später erschossen. Nun müssen dänische Jäger noch öfter Jagdurlaub in Deutschland machen.

Man sollte den Jägern das Bundesjagdgesetz um die Ohren schlagen:

„Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes […]. Die Hege muß so durchgeführt werden, daß Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden.“ (§ 1 Abs. 2)
„Der Abschuß des Wildes ist so zu regeln, daß die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben […].“ (§ 21 Abs. 1)

Es wäre so einfach:

„Bereits bei einer Wilddichte von zwei Sauen (Wildschweinen) je 100 Hektar Frühjahrsbestand ist eine verstärkte Seuchenverbreitung zu erwarten. Demgegenüber kommt es bei Schwarzwilddichten von weniger als einem Tier pro 100 Hektar zum natürlichen Abreißen (Unterbrechen) eines Infektionsgeschehens und damit zum Erlöschen der Seuche.“ (Kaden und Müller, Gefährliche Verwandtschaft. Schwarzwild – ein natürliches Reservoir für Infektionserreger und Ansteckungsquelle für Hausschweine? Forschungsreport 1/2001, S. 24f (PDF), Hg.: Senat der Bundes­forschungs­anstalten im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft)

Weitere Krankheiten bzw. Erreger, die Wildschweine übertragen können: Maul- und Klauenseuche, Aujeszkysche Krankheit (Pseudowut), Hepatitis E, Tuberkulose, Trichinen, Brucella, Leptospira.

„Je geringer die Wilddichte, desto gesünder ist der Wildbestand.“ (Schulte, S. 29)

Die Jäger — mit Ministern, Minister- und Bundespräsidenten in den eigenen Reihen — können sich taub stellen:

Unzweifelhaft stellen Jagden mit großen Schwarzwildstrecken Höhepunkte und Glanzlichter im jagdlichen Jahresablauf dar. Wo Licht ist, gibt es bekanntlich auch Schatten.“ (Nds. Landesjagdbericht 2004, S. 77)

Dr. Helmut Kohl als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz mit Partei-Kumpanen auf der Jagd. Als zweiten von links erkennt man Leisler Kiep, ebenfalls ein Schwarzgeld-Experte.

Quelle: http://www.ardmediathek.de/tv/Bimbes-Die-schwarzen-Kassen-des-Helmut/Bimbes-Die-schwarzen-Kassen-des-Helmut/SWR-Fernsehen/Video?bcastId=49036450&documentId=49036502, 16. Minute

CZ, 22. Dez. 2008

Jäger kriegen Wildschweinplage nicht in den Griff

Trotz hoher Abschusszahlen steigt die Population an

[…] 'Die höheren Abschussquoten zeigen, dass sich der Dialog mit den Jägern auszahlt', sagt LM-Sprecher Gerd Hahne. […] Letztlich würden die Jäger immer noch ein Hobby betreiben und Zwang sei gegenwärtig keine Option.

CZ, 25. Aug. 2009

Wildschweine: Plage nicht zu stoppen

Knoop fordert Jagdzwang per Gesetz

[…] Trotz des Appells von Knoop will das Ministerium von Zwang nichts wissen. 'Wir könnten das gar nicht alles kontrollieren und sehen zudem, dass die meisten Jäger sich stark bei der Jagd engagieren', sagte Sprecher Gert Hahne. Er setzt auf Überzeugungsarbeit. Ein sehr schlüssiges Argument für die Verweigerer könnte sein: Wenn die Schweinepest erst mal da ist, wird es teuer [außer für die Jäger!].

CZ, 26. Jan. 2010

Frost hilft gegen Wildschweinplage. Weniger Tiere im Landkreis Celle

Kreisjägermeister blickt vorsichtig optimistisch auf Entwicklung

CZ, 7. Jan. 2011

Landwirt beklagt Schaden durch Wildschweine

[…] 'Das Schwarzwild hält sich nach meinen Beobachtungen häufig in der Nähe gut isolierter und für die Übernachtung geeigneter Hochsitze auf.' Jäger, die die zurzeit günstigen Jagdbedingungen auf Wildschweine nicht nutzen, handelten in hohem Maße verantwortungslos, beklagt Lammers. […] Heiner Lammers schätzt, dass zurzeit 120 bis 150 Wildschweine in Bannetze unterwegs sind und erheblichen Wildschaden verursachen. 'Normal' seien drei bis vier Stück auf der Fläche.

CZ, 14. Okt. 2008

Wildschweine verwüsten Unterlüßer Sportplatz

Nahezu die gesamte Spielfläche ist umgepflügt / Fußballer müssen umziehen

CZ, 26. April 2012

Unterlüß geht gegen Wild vor

Um die Wildschweine aus dem Ort zu vertreiben, probiert es Unterlüß mit Schreckschüssen.

CZ, 20. Juli 2012

Unterlüß: Jagd auf Wildschweine im Ortskern

Die Situation war in den vergangenen Monaten eskaliert. So hatte es mehre Male bereits heikle Situationen gegeben, bei denen Mensch und Tier sich begegnet waren. Bisher wurde glücklicherweise noch kein Mensch verletzt. Einige Anwohner hatte aber berichtet, dass Kinder an der Schweriner Straße mit dem Auto zur Schule gebracht werden müssen, weil Bachen mit Frischlingen aggressiv reagiert hatten.

CZ, 1. Aug. 2012:

Ein schwieriger Jagdauftrag

Bekämpfung der Wildschweine in Unterlüß wird viel Zeit brauchen

CZ, 15. Okt. 2012:

Knallerei gegen Keiler sorgt für Ärger

Eine rapide ansteigende Zahl von Wildschweinen bereitet den Jägern Sorgen. Die Schwarzkittel richten große Schäden auf Mais- und Getreidefeldern an. In Südniedersachsen sollen die Tiere nun mit einem Schreckschuss-Automat ferngehalten werden - doch das bringt die Anwohner um ihren Schlaf.

CZ, 23. Juli 2020:

Im Garten wilde Sau gespielt

Unterlüß hat ein Wildschwein-Problem. Mehrere Gärten sind vom Schwarzwild verwüstet worden. Jetzt [sic!] wird über Bejagung diskutiert.

Jagderleben.de, 4.3.2022:

„Wildschweine sorgen für Aufruhr in Wohngebiet”

„Laut Pressemitteilung der Polizeiinspektion Celle drangen etwa 20 Wildschweine ebenfalls in ein Wohngebiet ein. Dort zerstörten sie Zäune und standen in Gartenanlagen im Gebräch.” Auf deutsch: sie zerwühlten Gärten.

„Wildunfall auf Bundesstraße

Im weiteren Verlauf ist es zudem zu einem Wildunfall gekommen. Wie die Beamten mitteilen, kollidierte auf der Bundesstraße ein Tier mit einem Pkw. Es verendete noch vor Ort. Die B 214 musste zeitweise vollgesperrt werden.” (Eva Grun)

Diese Szene spielte sich in Ovelgönne ab. In der Nähe liegt das schon erwähnte Rixförde.

CZ, 10. Aug. 2017:

„Angst vor Schweinepest“

„Im Landkreis gibt es Schätzungen zufolge bis zu 10.000 Wildschweine.“

Celler Kurier, 13. Aug. 2017:

„eine Reduzierung der Population erstrebenswert“

Die Jäger und die Afrikanische Schweinepest:

Eine Blamage jagt die nächste

Mein ausführlicher Artikel zur aktuellen Lage

Spaziergänger raus aus dem Wald!

Spazierengehen im Wald: „schädliches Verhalten“

So beschimpft H. H. Averbeck, Ehren­kreis­jäger­meister Celle und Träger des Bundes­verdienst­kreuzes, seine Mitbürger (CZ, 26. Sept. 2012).

Legal – illegal – scheißegal: Dass seit fast 50 Jahren das Recht auf Erholung im Wald – auch im Wald eines nieder­sächsischen Bauern – im Bundes­wald­gesetz fest­geschrieben ist, ist diesem Ehren­mann scheißegal.

„Wir können froh darüber sein“, dass der Kreis Celle „einer der bedeutendsten Rotwild­lebens­räume in Deutschland ist“. (Averbeck, CZ, 4. März 2002)

Bild: Selbst gehegt, selbst getötet. Averbeck auf der Trophäen­schau 2006 (CZ, 3. März 2006. Foto: Peter Müller)

Aus dem finanziellen und sonstigen Aufwand, den sie treiben, und aus dem gesetzlich garantierten Monopol am Töten (licence to kill) von Tieren in der freien Natur leiten die „Götter in Grün“ das Monopol an der Natur als Ganzer ab. Immer mehr Wege werden im Interesse der Jäger gesperrt oder umgepflügt mit der Begründung, das Wild werde zu sehr gestört. Noch der harmloseste Spaziergänger gilt ihnen als Störer.

Das ist dreist: Die Jäger „stören“ das Wild am meisten!

„Vieles Pirschen vergrämt das Wild.“ (Schulte, S. 270) Eine wissenschaftliche Untersuchung hatte zum Ergebnis, dass in 94% aller Fälle die Jäger selbst Rehwild zur Flucht veranlassten. Zu 2% waren es Forstarbeiter. Nur zu 4% waren es Erholungsuchende.

Das Wild ist lernfähig und weiß, von wem Gefahr droht und von wem nicht. Das wusste auch noch Hermann Löns.

Der Forstunternehmer Wilhelm Pröhl schildert einige Erlebnisse aus seiner vierzigjährigen Berufstätigkeit:

„Start der beiden Forstmaschinen: Laut dröhnen die Turbomotoren durch die Wälder. Nach etwa fünfzig Meter Fahrt mit dem Forwarder wechselt eine Rotte Wildsauen von rechts nach links über die Waldschneise, bleibt nach zehn Metern in der lichten Douglasienschonung stehen. Obwohl mit zwei Maschinen ständig ein weithin hörbarer Lärm entstand, hielt sich diese Rotte bis gegen Mittag in unserer Nähe in der durchsichtigen Schonung auf. Mir kam es vor, als wüssten die intelligenten Tiere, dass ihnen hier keine Gefahr droht.“
„Die beiden 100 PS-Turbodiesel der Forstmaschinen dröhnten weithin hörbar durch die morgendlichen Wälder, als mir plötzlich ein Rudel Rotwild einen Besuch abstattete. Es war ein Familienclan, der aus einem ergrauten Alttier und neun weiteren Familienmitgliedern, aus Töchtern, Enkelsöhnen und -töchtern, bis hin zu den diesjährigen Kälbern, den Ur-Urenkeln bestand. […] Die Tiere kamen ganz ruhig bis auf etwa zwanzig Meter an meine Maschine heran. Sie blieben stehen und fraßen hier und da an den Blaubeersträuchern, die jetzt schon reife Früchte trugen.“ (Wilhelm Pröhl, Aug in Aug mit Wildtieren, in: Freiheit für Tiere, Heft 4/2005, S. 30f)

In Wahrheit wissen die Jäger selbst, dass das unglaublich scheue Rotwild gar nicht so scheu ist, wie sie in der Öffentlichkeit ständig behaupten: „Merkwürdigerweise gewöhnt es sich auch an Dauerlärm z. B. an Treckerlärm und an Schüsse bei Sprengungen.“ (Blase/Pettinger, S. 173) Aber den alten Grundsatz, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, bekam auch Wilhelm Pröhl zu spüren:

„Für eine große deutsche Forstzeitschrift schreibe ich in unregelmäßigen Abständen Beiträge über forsttechnische Ereignisse und Erlebnisse der vergangenen 40 Jahre. So schrieb ich einen Beitrag über die Verständigung zwischen Forstunternehmern und Jägern. Allerdings wusste ich nicht, dass der Chefredakteur ebenfalls Jäger ist. Postwendend erhielt ich eine e-mail, worin dieser schrieb: 'Lieber Wilhelm, deinen Beitrag kann ich leider nicht veröffentlichen, da die Fakten nicht stimmen! Fakt ist …' Dann zählte er auf, wer alles das Wild vergrämt — außer den Jägern natürlich: '… Spaziergänger, Reiter, Jogger, Fahrradfahrer, Pilze- und Beerensammler, Hundehalter, Foto- und Filmfreunde — alle vertreiben sie das Wild! — Man bekommt nichts mehr zu sehen. Das Wild ist nur noch nachtaktiv!'“ (Wilhelm Pröhl, ebd.)
„[…] permanente Ansitzjagd als ausschließliche Methode führt gebietsweise zu einem Jagddruck, der diese Tierart [Rotwild] veranlaßt, den Raum zu verlassen. Ist der Jagddruck aber großflächig permanent gegeben, wird das an sich tagesaktive Rotwild zwangsläufig zum Dämmerungs- und Nachttier. Ebenso zwangsläufig sättigen sich die Tiere dann tagsüber meist mangels anderer verfügbarer Nahrung in der Deckung durch Schäle und Verbiß.“ (Helmuth Wölfel, Turbo-Reh und Öko-Hirsch, Graz und Stuttgart 1999, S. 148)
Kurz gesagt: Die Hirsche fressen Bäume an, weil sie sich vor den Jägern verstecken müssen.

Foto: Nds. Landesjagdbericht 2005, S. 18. Fotograf: S.-E. Arndt

Es sind also die Jäger, die das Wild scheu machen. Sie versetzen das Wild in einen andauernden Kriegs- und Belagerungszustand. Im Schweizer Nationalpark ruht die Jagd seit über 80 Jahren. Dort hat das Wild vergleichsweise wenig Scheu vor Menschen und versteckt sich tagsüber nicht.

„Ganz anders als in deutschen oder österreichischen Revieren verhält sich dieses, da ja seit Jahrzehnten nicht mehr bejagt, völlig tagaktiv. […] Es ist nicht außergewöhnlich, wenn der Besucher von einem Rastplatz aus 30 oder 40 Hirsche gleichzeitig im [Fern-] Glas hat.“ (Bruno Hespeler, Pirsch 21/2000, S. 96).

Es gibt einige wenige Jäger, die zugeben, dass ein Reiter das Wild weniger beunruhigt als ein Fußgänger. Der Hass der meisten Jäger auf die Reiter hat nichts mit Tatsachen, sondern eher damit zu tun, dass sie versuchen, weitverbreitete Vorurteile gegen Reiter („Herrenreiter“ und „Reiter machen die Wege kaputt“) auszunutzen.
 

„Der Pürsch- und Jagdwagen wird langsam ein Requisit vergangener Zeiten. Das Pferd ist weitgehend vom Auto verdrängt, und doch gehört das Fahren mit dem Pferdewagen durchs Revier zu dem Schönsten, was es gibt. Das Wild hält den Wagen gut aus, so daß man ohne zu stören in aller Ruhe beobachten kann — vorausgesetzt allerdings, daß niemals vom Wagen geschossen wurde — man kann jeden Weg benutzen und ist nicht auf eine befestigte Straße angewiesen, und gleichzeitig genießt man die Freude des Pferdeliebhabers, zwei edle Tiere im flotten Trab lenken zu können. Eine versunkene Romantik, die der Motor vernichtet hat. Heute fährt alles mit dem Kraftwagen zur Jagd.“ (Raesfeld/Frevert, S. 229)


Spottvers aus der Zeit vor 120 Jahren, als es noch keine Geländewagen mit Allradantrieb gab:

Moderne Pirsch
Nimmersatt,
Aus der Stadt,
Fein und glatt,
Fernrohr hat,
Auge matt,
Bläst das Blatt,
Pirscht zu Rad,
Schießt sich satt.

„Außergewöhnliche Jagdmethoden auf den Rehbock“

„Um schnell und bequem in die möglichst wildnahe Ausgangsposition zum Anpirschen/Anschleichen zu kommen, wurde einst das Pferdefuhrwerk genutzt. Heute haben Geländeauto oder motorisiertes Zweirad die Transport-Funktion übernommen. Ein Fahrer gehört dazu, der den Jäger an der zweckmäßigsten Stelle absetzt und dann mit dem vom Wild argwöhnisch beobachteten Gefährt wieder davonknattert. Die allgemeine Motorisierung schließt allerdings nicht aus, auch heute noch Haustiere in den Dienst der Jagd zu nehmen, z. B. Pferde. Dort, wo die Rehe Pferde kennen, etwa in der Nähe von Gestüten, Reiterhöfen oder Haltern von Rückepferden, erleichtert ein solches Haustier das Anpirschen sehr. Mit gutem Wind und stets in Deckung des Pferdekörpers gelingt das Sich-den-Rehen-Nähern im allgemeinen recht gut.“ (Jäger Nr. 5/2000, S. 74-76)

Verständlich, dass ein gestresster Geschäftsmann mit randvollem Terminkalender, wenn er um 17 Uhr 30 den Hochsitz besteigt, erwartet, dass ihm der sprichwörtliche „Sechs-Uhr-Sechser-Bock“ pünktlich vor die Büchse läuft. Kommt um 17 Uhr 45 ein Spaziergänger, Radfahrer oder Reiter vorbei, sieht er sich um den gerechten Lohn seiner Mühen betrogen. Mancher führt sich dann auf wie ein Gutsherr: Wer im Tierreich Herr über Leben und Tod ist, der …

Nähert man sich einem Hochsitz, geben sie manchmal einen Warnschuss ab und klären darüber auf, wie weit ihre Kugeln fliegen können: 5 km! Sie warnen Reiter ohne Scham davor, wie leicht sie ein Pferd mit einem Hirschen verwechseln könnten. Sie spannen zuweilen dünne, kaum sichtbare Drähte in Halshöhe des Reiters über die Wege. Den Bau von Radwegen in der freien Landschaftaft boykottieren sie mit dem Spruch: Wir mögen „keinen Rummel im Revier“ (CZ, 27. April 2000); gegen Radler graben sie auch Fallgruben in Radwege (SZ, 11. Dez. 2006) oder lassen zumindest Wegweiser für Radler verschwinden (wie im Naturpark Südheide).

Fuchsbandwurm — größte Gefahr geht vom Hund aus
(Die Welt, 20. Juli 2007)

„Er ist heimtückisch und gefährlich: der Fuchsbandwurm. Infizierte bemerken ihn erst nach Jahren. Lange galten Waldfrüchte als Überträger, heute weiß man: Es sind Hunde und Katzen.“ (Land & Forst 31/2012, S. 64)


Aber sie greifen auch zu subtileren Mitteln. Gerne greifen sie Meldungen über den Fuchsbandwurm auf, um sie dramatisch zu übersteigern. „Die Zahl beerensammelnder Waldbesucher ging seitdem beträchtlich zurück – zur Genugtuung der Bockjäger während der Blattzeit …“ (Juli-August). (Kalchreuter, Die Sache mit der Jagd, 6. Auflage, 2009, S. 318. Ich zitiere ansonsten weiterhin aus der 1. Auflage.)

Warnungen vor Zeckenbissen ergehen pünktlich zum Beginn der Jagdzeit auf den Rothirsch am 1. August (leider gleichzeitig Höhepunkt der Urlaubs- und Beginn der Pilzsaison) und nicht schon im März — dann ist nämlich noch Schonzeit.

Sie erzählen Schauermärchen über Spaziergänger, die im Winter das — angeblich — völlig entkräftete Wild in den Erschöpfungstod hetzen und auch schuld daran sein sollen, wenn das Wild Würmer hat. In Internet-Foren diskutieren sie ganz offen die erfolgreichsten Methoden, „Pilzesucher und anderes unnützes Gewürm“ loszuwerden: Strafanzeige, Warnschuss oder Warnschilder „Vorsicht Kreuzotter“? Oder doch lieber das verständnisvolle, mitmenschliche Gespräch suchen?

Ein eigenes Kapitel: Schauermärchen über den Wolf.

Da wird eine „Tourismus Region Celle GmbH“ gegründet, da werden Tourismus-Konzepte erarbeitet und mit Steuergeldern gefördert — und gleichzeitig verbarrikadieren die Jäger den Naturpark Südheide. Die zuständigen Behörden, die das dulden, sind mit den Jägern verfilzt. Denn hier leben „Hirsche der internationalen Spitzenklasse“ (CZ, 4. März 2002), die zu Spitzenpreisen zum Abschuss verkauft werden.

0,5 % der Bevölkerung sind mit wachsendem Erfolg dabei, die anderen 99,5 % aus dem Wald zu vertreiben.

Warum jagen Jäger?

Der kleine Unterschied: Schlachter lassen sich fürs Töten bezahlen. Jäger bezahlen, um töten zu dürfen.

„Der Jäger empfindet Freude an der Jagd. Das sind Erleben und Beobachten der Natur und das helfende Eingreifen. Dazu gehört auch das Erlegen von Wild. Freude an der Beute bedeutet nicht Lust am Töten, sondern Freude an der Pirsch, die oft mühsam ist und Geduld erfordert.“ (DJV, Jagd heute, Bonn, 1989, S. 17)

Helfendes Eingreifen

„So habe ich ein mit 9-mm-Geschoß und 3 g Blättchenpulver waidwund geschossenes Rotwildkalb, das sich im Flüchten nach und nach das ganze kleine Gescheide, worauf es getreten, aus dem Leib gezerrt hatte, erst nach 3/4 Stunden vor dem Hund totgeschossen. Das Gescheide lag in Stücken weithin in der Fährte.“ (Raesfeld/Frevert, Das Deutsche Waidwerk, S. 396)

Für Leser, die das Jägerlatein nicht verstehen, hier die deutsche Fassung: Ein Jäger verpasst einem Rotwildkalb einen Bauchschuss. Der Darm tritt aus. Vor Schmerzen gepeinigt und in höchster Todesangst flieht das Tier. Es beginnt eine dreiviertelstündige Hetzjagd. Der Darm tritt weiter aus. Er wickelt sich um die Beine des Tieres. Das Tier reißt sich selbst den ganzen Darm heraus. Der Darm zerreißt in Stücke. Die Stücke säumen seinen Fluchtweg. Am Ende klopft sich der Jäger dafür auf die Schulter, dass er das Tier von „seinen“ Leiden erlöst hat.

P.S. Es gibt auch andere Jäger. Sogar der Kreisjägermeister Celle hat die Hege, d. h. Fütterung, „in Teilen des Kreisgebietes“ als „zooähnliche Wildtierhaltung“ gebrandmarkt (CZ, 4. März 2002). Praktische Konsequenzen hat das aber nicht.

Im Heft 3/2000 der Pirsch hieß es unter der Überschrift „Maisland Deutschland“, durch die Fütterung z. B. mit Mais werde die Jagd auf das Niveau von Kaninchenzüchten gebracht. (Das gilt unter Jägern als Beleidigung, da es ein Hobby armer Leute ist.) Man erfährt interessante Details: In Teilen des Sauerlandes hätte sich die Zahl der Wildschweine versechzigfacht. Sie würden Nester von bodenbrütenden Vögeln (z. B. Auerwild) plündern. Jäger würden u. a. folgende technische Hilfsmittel einsetzen: Nachtsichtgeräte, Wilduhren, Thermobilder, Kanzelmonitore, Vibrationsmelder — also alle die Hilfsmittel, die im Anzeigenteil derselben Zeitschrift zum Kauf angeboten werden (Kostprobe: „Schlafen Sie gelegentlich beim Nacht-Ansitz ein? Der Wild-Sensor wacht für Sie!“). Als Futter werde sogar Tiermehl eingesetzt. Im Winter 2000/2001 wurde der breiten Öffentlichkeit bekannt, dass das in ganz Deutschland üblich war. Das steht im lustigen Gegensatz zur gängigen Jägerpropaganda, die Wildfleisch als besonders gesund anpreist: „Wildtiere ernähren sich ausschließlich vom Nahrungsangebot der Natur. […] Im intakten Naturkreislauf gelangen keine schädlichen Fremdstoffe in das Fleisch.“ (Niedersächsische Landesforstverwaltung) Die Wahrheit ist: Wildfleisch ist von allen Lebensmitteln tierischer Herkunft am stärksten mit „Umweltkontaminanten“ vergiftet (Ernährungs- und agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2004). Kaum zu glauben: Im Januar 2023 warnte sogar der DJV davor, Wildschweinleber zu essen, weil die oft mit PFAS verseucht ist. Jahrzehnte nach dem GAU von Tschernobyl sind immer noch viele Wildschweine derartig radioaktiv verseucht, dass ihr Fleisch nicht verkauft werden darf. Dafür erhielten Jäger und Jagdrechtsinhaber im Jahr 2018 die Rekordsumme von 1,3 Mill. Euro als Entschädigung nach dem deutschen Atomgesetz (Spiegel 14/2019, S. 21).

Auch die Wildbranche hatte ihren Gammelfleischskandal, und im Jahr 2020 riefen Edeka und REWE Fleisch von Wildschweinen aus Rheinland-Pfalz zurück, weil es nicht auf Trichinen untersucht worden war (jagderleben.de). In Brandenburg wurden zwischen 2018 und 2020 insgesamt 64 mit Trichinen befallene Wildschweine entdeckt (pirsch.de, 17.2.2021).

Damwild

Fasan

Pferd

Bauern machen den Jägern Konkurrenz: […] Immer öfter begegnet man den Tieren, die hochwertiges und mageres Fleisch liefern, in landwirtschaftlichen Gehegen. […] Nachdem diese Art der Tierhaltung schon 1968 in Neuseeland mit Rotwild gelungen war, wurde sie nach und nach auch hier etabliert.“

CZ, 2. Feb. 2002

Bei der Jagd geschossene oder unter natürlichen Bedingungen aufgezogene junge Tiere sind geschmacklich kaum zu unterscheiden. Durch zu langes Abhängen im Federkleid stark geförderter Wildgeschmack, unschöne Verletzungen durch Schrot und unbestimmtes Alter machen geschossene Tiere bei Feinschmeckern im Gegensatz zu gezüchteten Fasanen allerdings unbeliebt.“

Katalog der Hagen Grote GmbH, Krefeld, Winter 2013

DJV-Präsident Hartwig Fischer: Pferde-Lasagne an die Armen verfüttern

bild.de, 23. Feb. 2013

Im selben Jahr erhielt Fischer das Verdienst­kreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.

Fortsetzung:

Dokumente waidmännischer Arroganz



Zum Reiterhof Eti Veth.


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2024-04-16