Der Kreisjägermeister erzählt einen vom Wolf

„Wölfe so groß wie Rotwild“

Nicht etwa in der alkoholgeschwängerten Atmosphäre eines Jägerstammtisches, sondern im Umweltausschuss des Landkreises Celle behauptete der Bauer, Jäger und Kreisjägermeister Knoop, Wölfe so groß wie Rothirsche würden mittlerweile in der Lüneburger Heide ihr Unwesen treiben.

Zum Glück war ein echter Fachmann für Biologie in der Sitzung anwesend, der Referent für Großraubtiere beim Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg, der im Nachhinein richtigstellte: Die Schulterhöhe eines Rothirsches liegt zwischen 1,2 und 1,5 Metern, die einer Hirschkuh zwischen 1,0 und 1,2 Metern, die eines europäischen Wolfes zwischen 70 und 80 Zentimetern.

Quelle: https://celleheute.de/woelfe-so-gross-wie-rotwild-ein-maerchen, Anke Schlicht, 24.01.2020 - 12:25


Jäger sind „meldemüde“

In den Augen der Jäger ist jeder Wolf ein Wolf zu viel. Ihre Mitbürger sehen das anders: Ein paar Wölfe können wir uns doch leisten.

Deshalb dramatisieren die Jäger die an sich langweiligen Zahlen: Es gibt in Wirklichkeit viel mehr Wölfe, als bekannt ist! Gefahr!

Aber woher weiß man von Wölfen, von denen man nichts weiß?

Kreisjägermeister Knoop (Celle) und sein Kollege aus Soltau hatten einen schlauen Einfall: Jäger würden ständig Massen von Wölfen beobachten, dieses aber nicht melden.

Die Jäger seien müde – meldemüde! Denn für einen Jäger ist die Meldung eines Wolfes gleichbedeutend mit der Erlaubnis zum Abschuss – und die wird, mit einigen Ausnahmen, immer noch verweigert.

Mit großem Getöse hatte sich die Landesjägerschaft Niedersachsen e. V. (LJN) 2011 aufgedrängt, das Wolfsmonitoring vom niedersächsischen Umweltministerium übertragen zu bekommen: Nur wir sind kompetent, nur wir sind ständig vor Ort, wir sehen alles, wir kennen alles usw. usf. Dabei sehen sie auch Wölfe, wo keine sind: Beispielsweise gab es in 2012 150 Meldungen, davon waren weniger als ein Viertel, nämlich nur 35, „aussagekräftig genug, um die Anwesen­heit von Wölfen nachzuweisen“ (Nds. Landesjagdbericht 2011/12, S. 105).

Um Stimmung für die zweite Ausrottung des Wolfes zu machen, waren sie auf die Behauptung verfallen, aus Angst vor dem Wolf würden keine Touristen mehr in die Lüneburger Heide kommen. Plötzlich heißt es andersherum: „Knoop macht noch einen anderen Grund für die Meldemüdigkeit verantwortlich, den sogenannten Wolfstourismus. […] 'Das löst unnötig Unruhe im Wald aus.'“ (Cellesche Zeitung, 12. Jan. 2019)

Aber nun fällt ihnen auch noch die niedersächsische Landesforstverwaltung in den Rücken:

Den Wölfen auf der Spur“

Der Förster und Waldpädagoge Volker Einhorn lebt seit 14 Jahren Tür an Tür mit den Wölfen. Er hat zusammen mit der Umweltpädagogin und Jägerin Ulrike Kruse das Programm 'Den Wölfen auf der Spur' für Schulkinder auf die Beine gestellt. […] 'Wir wollen auf Waldwegen durchs Wolfsrevier radeln. Dabei nach Spuren und Zeichen der Wölfe suchen und ganz nebenbei das Wolfsbiotop kennenlernen.'“

Quelle: https://www.landesforsten.de/blog/2021/10/18/den-woelfen-auf-der-spur/, 18. Okt. 2021

Die Hobby-Jäger sind verzweifelt: Wieder hat sich der Wolf geweigert, auch nur ein einziges Kind zu verspeisen.

Und es kommt noch härter: Wegen der großen Nachfrage hat Volker Einhorn seine Wolfstouren zu einer Dauereinrichtung gemacht.

Wer auch mal möchte: wald-einhorn.de

„Von Wolf Wildschwein angegriffen: Mädchen muss auf einen Baum flüchten“

meldet pirsch.de (L. Engels) am 7.4.2022. Es geschah bei Plauen in Sachsen.

„Wildschweinattacke: Schwarzwild-Rotte greift Kind an“

meldet pirsch.de (J. Schlereth) am 10.9.2023

Es geschah bei Gemünden im Westerwald. Der Elfjährige rettete sich auf einen Felsen und setzte mit seinem Handy einen Notruf ab. Polizeibeamte vertrieben die Schweine.

„Keiler randaliert in Schwandorf und verletzt 83jährige Frau“

meldet djz.de am 7.10.2022

Die Frau verlor viel Blut und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Vorher hatte das Tier Bauarbeiter angegriffen.

Jäger schießt Kind ins Bein

„Nach eigenen Angaben wollte der Jäger einige Probeschüsse mit seiner neu erworbenen Büchse machen. Dabei verließ ein Projektil das Grundstück und traf einen Jungen auf der Ortsstraße. Dieser fuhr gerade mit seinem Fahrrad vorbei. Wie der SWR zuerst berichtete, rückten Rettungsdienst und Feuerwehr an. Das Kind musste notoperiert werden.“ (pirsch.de, A. Losert, 11.9.2023)

„Der Wolf verändert das Leben auf dem Land massiv,“ behauptet der Jäger und Landwirt Christian Lohmeyer aus Niedersachsen. „Er lasse seine Kinder nicht mehr morgens an der Bushaltestelle warten.“ (pirsch.de, C. Grommel, 27.10.2023)

Von Wölfen und Fahrrädern (Teil 2)

Nach dem Motto „Was nicht sein kann, nicht sein darf“ haben Jäger messerscharf geschlossen: Der Wolf kann unmöglich auf eigenen Pfoten zurück nach Deutschland gekommen sein.

So machte im Winter 2013/2014 die Meldung die Runde, dass es doch nur die verdammten Naturschützer gewesen seien, die Wölfe von Polen nach Deutschland gekarrt und hier ausgesetzt hätten.

Die aktuelle Ausgabe einer JÄGER-Zeitschrift verbreitet unter dem Titelthema ‚Das Märchen über den Wilden Wolf‘ nach Auffassung der Bundespolizei tatsächlich ein neues Märchen. Entgegen dem in der Zeitschrift behaupteten ‚Tatsachenbericht eines Bundespolizisten, der bestätigt, dass ein LKW an der deutsch-polnischen Grenze gestoppt wurde‘, der ‚auf der Ladefläche mehrere Luchse und Wölfe‘ hatte, hat die Bundespolizeidirektion Berlin keinerlei Hinweise auf eine solche Feststellung. Einen solchen Fall hat es nicht gegeben!
Bereits Mitte Dezember machte diese Geschichte über Isegrim ihre Runde, doch entsprechende Prüfungen ergaben, dass an diesen Gerüchten nichts dran ist. Allerdings gab es Anfang November den Fall, dass Bundespolizisten auf einem weißen VW T4 unter anderem einen ‚Steppenwolf‘ sichergestellt hatten. Dabei handelte es sich jedoch nicht um einen nordamerikanischen Kojoten, sondern um ein Rad des gleichnamigen Fahrradherstellers. Es war eines von 14 Fahrrädern, die als Hehler-Ware nach Osteuropa gebracht werden sollten.“

Aus einer Pressemitteilung der Bundespolizeidirektion Berlin, 27.01.2014 – 15:41, nachzulesen bei archive.org: https://web.archive.org/web/20160129222257/https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/70238/2649638


„Wolf verhindert Weidetierhaltung“

Den Jägern ist das Wohlergehen von Rindern, Schafen und Schweinen scheißegal. Scheißegal ist es ihnen, dass das Vieh in der konventionellen Landwirtschaft in Agrarfabriken auf engstem Raum dahinvegetiert, dass die Tiere ihr kurzes Leben lang nie die Sonne sehen, nie an frischer Luft über grünes Gras laufen können und mit dem billigsten Dreck gefüttert werden, den man auf dem Weltmarkt kaufen kann. Eine besondere Tierquälerei ist die Anbindehaltung:

„Das Leben einer Kuh kann trist sein. Monate am Stück verbringen manche von ihnen im Stall, von einer Weide können sie nur träumen. Herumlaufen können sie auch nicht, denn sie stehen am Strick oder einer Kette, in Anbindehaltung. Rund jeder zehnten Milchkuh ergeht es so“, das sind rund 400 000 Tiere (Süddt. Zeitung, 25.5.2024, M. Bauchmüller).

Der Deutsche Bauernverband ist aus finanziellen Gründen gegen ein Verbot der Anbindehaltung. Und die Jäger tun so, als ob die Bauern aus Angst vor dem Wolf ihr Vieh in den Ställen einsperren.

Wenn Jäger sich darüber empören, dass Wölfe auch Vieh töten, dann ist das absolut scheinheilig. Der wahre Grund, weshalb sie ständig mehr „aktives Wolfsmanagement“ fordern, geht aus den folgenden Zahlen hervor:

Wolfsnahrung

Die Zahlen stammen aus der Broschüre „Wölfen auf der Spur. Rückkehr einer ehemals heimischen Art“, 2013 herausgegeben von der Landesjägerschaft Niedersachsen e. V.

Auf S. 6 steht: „Der Wolf benötigt keine pure Wildnis, er geht dem Menschen aus dem Weg.“
Auf S. 12: „Von gesunden wilden Wölfen geht i. d. R. keine Gefahr für den Menschen aus. Für Europa sind in den letzten 60 Jahren zwar neun tödliche Übergriffe von Wölfen auf Menschen glaubhaft dokumentiert, diese gehen aber auf tollwutkranke Tiere oder auf vom Menschen angefütterte Wölfe zurück.“

In Deutschland sterben jährlich vier bis acht Menschen durch Hunde.


Klartext aus Schweden:

„In Schwedens Wolfsregionen droht Waldbesitzern Ausfall der Jagdpacht-Einnahmen“

„Immer mehr schwedische Pächter-Gemeinschaften wollen nicht mehr länger dafür zahlen, dass ihnen Wölfe und Bären das Wild wegfressen. In der Provinz Dalarna hat ein ganzer Hegering angekündigt, die diesjährige Elchjagd abzublasen. Die Waldbesitzer müssen mit empfindlichen Einnahme-Ausfällen rechnen: Neben der Pacht werden in Schweden auch saftige Abschuss-Abgaben für erlegte Elche fällig. […] Den jährlichen Schaden durch entgangene Beute beziffern die Jäger von Stadra-Nora [ein Jagdrevier] auf rund 60.000 Euro.“ (natuerlich-jagd.de, Michael Lehner, 13. 4.2022)

Jäger gegen wolfssichere Zäune

Der Zentralverband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Niedersachsen (ZJEN e. V.) ist eine Lobbyorganisation von Leuten, die die Jagd als knallhartes Geschäft mit maximaler Rendite optimieren wollen. In einem internen Text konnte ich lesen:

„Reviere mit größeren wolfssicheren Zäunungen, die auch für das Wild unüberwindbar sind, können nur unter sehr erschwerten Bedingungen verpachtet werden.“

Jäger gegen Schafe und Schäfer

„Rotwild macht einen Bogen um Schafsherden“

Das können Jäger nun überhaupt nicht leiden! Eine Studie der Hochschule Eberswalde auf der Glücksburger Heide (Landkreis Wittenberg), die von Schafen und Ziegen extensiv beweidet wird, fand heraus:

„Es konnte festgestellt werden, dass Rotwild die beweidete Fläche und auch das Umfeld zeitweise gemieden hat – auch wenn die Schafherde nachts nicht da war. […] Sicherlich spielt die Nahrungskonkurrenz eine Rolle, aber auch die Störung, die von den Schafen und Ziegen in Kombination mit Schäfer und Hütehund und ihren Aktivitäten ausgeht.“ (Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Dr. Tillmann, 3.8.2025)

Blutbad: „Jagdhunde reißen 15 Schafe“

Neun Schafe waren sofort tot, die anderen starben später an ihren Verletzungen oder wurden eingeschläfert (Wildtierschutz Deutschland e. V., Lovis Kauertz, 26.1.2023). Der Verein erstattete Strafanzeige. Die Hunde wurden auf einer Treibjagd bei Koblenz eingesetzt. Der rheinland-pfälzische Jagdverband reagierte gleichgültig: Treibjagden ohne Hunde seien nicht waidgerecht, Pech für die Schafe.

„Wildernde Hunde fallen Schafe an“

Zwei Huskys „haben bei Bücken im Landkreis Nienburg eine Schafherde attackiert und dabei mehrere Tiere getötet. Weitere Schafe seien so schwer verletzt worden, dass sie zum Teil eingeschläfert werden mussten, teilte die Polizei mit.“ Die Hunde wurden seit einigen Tagen von ihrem Halter vermisst (Cellesche Zeitung, 10.5.2019).

„Frei laufende Hunde, die Schafe reißen, sind ein weit größeres Problem als der Wolf“, sagt der Sprecher des NABU Schleswig-Holstein (ndr.de, 26.03.2019).

„Feuer frei auf Westerwälder Wolfsrüden“

Die zuständige Behörde erteilte eine Ausnahmegenehmigung zur Tötung „des Westerwälder Wolfsrüden GW1896m oder aber auch anderer Individuen“. Denn Jäger sind zu blöd, den Rüden GW1896m von anderen Rüden „oder aber auch anderen Individuen“ zu unterscheiden. Deshalb dürfen sie fröhlich drauflosballern, Versuch macht klug. Erst wenn ein getöteter Wolf sich nachträglich als der GW1896m herausstellen sollte, müssen sie aufhören – so wird der Westerwald zur wolfsfreien Zone (wildundhund.de, 6.12.2024).

Sie nennen sich Naturschützer, Tierschützer, Artenschützer …

Jäger demonstrieren in Hannover, 30. Januar 2025
(Bildausschnitt: Panorama 3, NDR, 4.2.2025)

Andere Naturschützer haben dagegen erreicht, dass die Erlaubnis, Wölfe im Westerwald zu töten, vom Verwaltungsgericht Koblenz vorläufig aufgehoben wurde (djz.de, 9.12.2024).

Jäger erschießen in vier Jahren mehr als 20 Pferde

„Seit 2021 haben Jäger in Deutschland »aus Versehen« mehr als 20 Pferde erschossen. Die Pferde standen auf der Weide und wurden von Hobbyjägern mit Hirschen, Wildschweinen oder sogar Füchsen »verwechselt«.“ (Initiative zur Abschaffung der Jagd, abgerufen 6.12.2024)

Rekord im Jahr 2025: Drei Pferde in einer Nacht

„Da hatte aber jemand einen gehörigen Knick in der Optik: Ein Landwirt (82) machte auf seinem Hof im pfälzischen Hornbach Jagd auf einen Fuchs. Am Ende war aber nicht nur Meister Reineke tot, sondern auch drei Pferde.“ (bild.de, 16.2.2025, Ralph Stanger) Zwei davon gehörten dem Bauern selbst. Er wurde vom Amtsgericht Zweibrücken hart bestraft: Er muss 1200 € zahlen und Gewehr und Jagdschein für ein ganzes Jahr abgeben (swr.de, 22.7.2025).

Wann endlich fordert die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) jägerfreie Zonen?


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http://eti-veth.de/schauermaerchen.htm
2025-10-03