Wer stört das Wild?


Mit einer Grafik ähnlich wie dieser will „ Wild und Hund“ (Heft 17/2011, S. 24) beweisen, dass der Wald unbedingt für Pilzesammler und alle anderen Bürger gesperrt werden müsse. Man sieht, wie weit Rotwild flüchtet, nachdem es durch verschiedene Ursachen gestört wurde.

Wer also stört das Wild?

  1. Die Jäger, wenn sie durch den Wald schleichen.

  2. Die Jäger, wenn sie mit Geländewagen über Stock und Stein jagen.

  3. Die Jäger, wenn sie auf das Wild schießen und es mit Hunden hetzen.

In Bezug auf Rehe hat Prof. Reimoser von der Veterinärmedizinischen Universität Wien folgende Zahlen ermittelt:

„Von den insgesamt 50 Fällen, in denen eine Flucht der Rehe während der Jagd beobachtet werden konnte, wurden 94% vom Jäger, 4% von Touristen und 2% durch forstliche Aktivitäten ausgelöst.“ (Allgemeine Forst Zeitschrift, Heft 15/2000, S. 811)

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Zeitschrift für Jagdwissenschaft, 21. Jahrgang (1975), S. 50-63

„Die Auswirkungen der zunehmenden Inanspruchnahme des Waldes durch die erholungsuchende Bevölkerung auf das Verhalten des Wildes und die Bejagungsmöglichkeiten der Wildbestände“

Die Autoren, Ueckermann, Goepel u. a., befragten 54 Forstämter in Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen über bestimmte Entwicklungen im Zeitraum 1960 bis 1970. Die Zahl der im Wald Erholung suchenden Spaziergänger und Reiter hatte stark zugenommen.

1. Spaziergänger. Das Wild reagierte nach Aussage der Forstämter auf Spaziergänger unterschiedlich: Rotwild bliebe tagsüber länger in seinen Einständen versteckt und trete erst bei fortgeschrittener Dämmerung aus. Beim Muffel- und Damwild wurde dagegen von einer gewissen Vertrautheit oder sogar Neugier der Tiere gegenüber den Spaziergängern gesprochen. Zum Schwarz- und Rehwild gab es widersprechende Aussagen.

2. Reiter. „Differenzierter müssen die Verhältnisse bei den Reitern gesehen werden. Einzelreiter stören, wenn ruhig geritten wird, nach einer kurzen Gewöhnungszeit nicht. Mehrfach konnte der Hinweis gefunden werden, daß offenbar nur das Pferd, aber nicht der Reiter selbst, vom Wild wahrgenommen wird. So ist es z. B. möglich, Damwild an den Fütterungen anzureiten. Beim Muffelwild tritt die Neugier gegenüber Reitern besonders hervor. Mitgeteilt wird u. a. auch, daß sich das Wild im Einzelfall dem Reiter gegenüber vertrauter als gegenüber dem Spaziergänger zeigt. Unruhig wird das Wild, wenn sich Reiterpulks in schneller Gangart durch das Revier bewegen, auch dann, wenn die gewohnten Reitwege benutzt werden.“ (S. 56)

Zusammenfassung:

„Trotz der nachgewiesenen starken Zunahme der Besucherzahl änderten sich die Abschußergebnisse für viele Wildarten nicht nennenswert, weitgehend war eine steigende [!] Tendenz gegeben. [...] eine geregelte und erfolgreiche Jagdausübung [ist] möglich“. (S. 62)

Diese Sätze wurden vor fast 50 Jahren geschrieben. Seitdem sind die Abschussergebnisse noch weiter gestiegen, trotz der ach so vielen Pilzesammler, Jogger, Mountainbiker und Reiter.

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Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd Norddeutschland:

„Nachtjagd deutlich einschränken

Unser Wild braucht mehr Ruhe vor dem Jäger!

Auf Anfrage der Jagdzeitschrift 'Die Pirsch' stellt die Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd klar, das eine Bejagung von Wild zur Nachtzeit weitestgehend abgelehnt wird. Die Nachtzeit ist bei uns die einzige Tagesperiode, in der unser heimisches Wild den schützenden Wald verlassen kann, sofern nicht Jäger auf den Hochständen am Waldrand lauern. Nur bei ausreichend periodischen und täglichen Ruhephasen wird es dem Wild möglich sein, den gegeben Lebensraum optimal zu nutzen. Wildschäden im Wald können reduziert werden.

Unsere heimischen Wildtiere haben nicht grundsätzlich Angst vor dem Menschen. Erst die Verfolgung durch uns Jäger führt bei den Tieren zur Scheu und damit zu geändertem Verhalten im Lebensraum. Zahlreiche Studien belegen dies. So konnte nachgewiesen werden, das selbst das Standorttreue Rehwild beliebte Wechsel oder Äsungsflächen an häufig frequentierten Jagdständen meidet oder nur zu Zeiten nutzt, in denen der Jäger üblicherweise nicht anwesend ist. Wer an einer schmackhaften Wildwiese kein Rehwild mehr zu Sehen bekommt, sollte mal außerhalb der üblichen Jagdzeiten sein Glück versuchen, zum Beispiel mittags und möglichst nicht von der bekannten Kanzel. Die Ergebnisse sind erstaunlich!

Jogger, Wanderer, Pferde oder Mofas beunruhigen unser Wild im übrigen weitaus weniger als der schleichende oder ansitzende Jäger. Stark beanspruchte Erholungsgebiete oder Nationalparke zeigen, das unsere Wildtiere sehr genau erkennen, wer ihnen wann gefährlich werden kann. Es ist in etwa so wie mit dem satten Löwen in der Zebraherde!

Ein Verbot der Nachtjagd auf alle Wildtiere ist wünschenswert. Der Hirsch im Feld erkennt nicht, ob der Jäger wohl nur einen Fuchs erlegen will. Auch die Kirrjagd auf die Schwarzkittel beunruhigt Reh, Hirsch und Hase ebenso.

Dennoch wird auf die Nachtjagd im Feld (und eben nur im Feld!) nicht vollständig verzichtet werden können. Schwarz-, Rot- und Damwild können dort zur Nachtzeit erhebliche Schäden anrichten. Dann, und nur dann, erscheint eine Nachtjagd örtlich notwendig und zulässig. Um die Nachtjagd im Feld weitgehend zu reduzieren sollten Schutzvorrichtungen einer Bejagung vorgezogen werden. Zusätzlich müssen durch effektive Jagdmethoden in Herbst und Winter (Gemeinschaftsansitze; Drück- und Stöberjagden) die Wildbestände rechtzeitig bejagt werden. Dies erfordert großzügige Freigaben (z. B. beim Rot- oder Damwild nur nach Altersklassen ohne Rücksicht auf die Trophäe oder auch die Freigabe des männlichen Rehwildes). Ferner sollten die Nachtansitze ebenfalls in Gruppen erfolgen. So kann die Jagd erfolgreich sein und auf wenige Tage beschränkt bleiben.

Zusammenfassend lehnt die ANJN eine Bejagung unserer Wildtiere zur Nachtzeit ab! Ausnahmen bei Wildschäden im Feld, und nur dort, müssen als Kompromiß akzeptiert werden. Bei der Umsetzung setzt die ANJN auf die Freiwilligkeit der Jäger. Bürokratische Kontrollen sollten unterbleiben. Eine Aufnahme des Nachtjagdverbotes im Wald in ein neu gefaßtes Bundesjagdgesetz wäre wünschenswert. Der beste Lohn für alle Revierinhaber wird bei konsequenter Umsetzung sein, das das Wild bei verringertem Jagddruck wieder deutlich besser sichtbar wird. Dies allein sollte Anreiz genug sein.“

Stephan Boschen, Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Jagd Norddeutschland e.V.

Postfach 2225
37012 Göttingen
Tel. 0172 / 9000364
stephan.boschen@gmx.de
http://www.anjn.de

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Streitgespräch zwischen dem Öko-Jäger Wilhelm Bode und dem Präsidenten der bayrischen Landesjägerschaft, Jürgen Vocke, Spiegel, Heft 26/1998, S. 147

„Rehe sind keine Pappkameraden“

„Vocke: Durch die Störungen der Freizeitgesellschaft wird die Erfüllung der Abschußquote immer schwieriger. Vor allem in großstadtnahen Wäldern haben wir an manchen Tagen eine größere Menschendichte als am Stachus in München. Das scheue Reh ist deshalb größtenteils zum Nachtwild geworden, und nachts ist die Jagd aus Tierschutzgründen verboten.

SPIEGEL: Sie wollen alle Freizeitsportler aus dem Wald werfen?

Vocke: Nein, wir wollen niemanden aussperren. Ich meine nur, wir sollten aufeinander Rücksicht nehmen. Die Gesellschaft erwartet zu Recht, daß wir die Wildbestände bejagen. Dann muß uns die Gesellschaft aber auch die Möglichkeit dazu lassen. Selbst große Naturschutzverbände fordern Ruhe- und Tabuzonen für die Tierwelt. Muß es wirklich sein, daß spätabends Jogger durch den Wald rennen oder in der Dämmerung die Pferde ausgeritten werden? Dann springt das Wild ab, und der Abend ist gelaufen.

Bode: Dummes Zeug, kein Reh fühlt sich durch ein Pferd gestört. Der Hauptstörenfried ist der Jäger selbst. Erst durch die fast ganzjährige, ineffiziente Bejagung ist das von Geburt tagaktive Reh zum Nachttier geworden. Überall dort, wo die Jagd nicht ausgeübt wird, werden die hochsensiblen Tiere nach ganz kurzer Zeit trotz höchster Besucherdichte fast handzahm und lassen Menschen bis auf wenige Meter an sich herankommen. Wildbiologen nennen das den Nationalparkeffekt.

Vocke: Ich kenne dafür den Begriff Verhausschweinung.“

 

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Interview mit Prof. Reichholf im Spiegel, Heft 50/2000, S. 258

„Verbotsschilder abbauen“

Prof. Reichholf war Biologe bei der Zoologischen Staatssammlung München und im Vorstand des WWF Deutschland.

SPIEGEL: Hilft die Unterschutzstellung eines Gebietes denn nicht den dort lebenden Tieren und Pflanzen?

Reichholf: Im Gegenteil. Oft schadet der bei uns praktizierte Aussperr-Naturschutz den Tieren sogar. Denn Jäger, Fischer oder Forstwirte dürfen in Schutzgebieten meist weiter schalten und walten. Nur haben sie dort viel weniger Kontrolle durch die Öffentlichkeit als vorher zu befürchten, weil Wald und Flur ja nicht mehr für jedermann frei zugänglich sind.

SPIEGEL: Schrecken Ruderer, Reiter oder Radfahrer denn nicht die sensiblen Vögel auf?

Reichholf: Die von Freizeitsportlern oder anderen Erholungssuchenden ausgehende Störung ist in Wahrheit viel geringer als das, was die Jäger anrichten. Scheu werden Vögel erst durch Bejagung. Die Gänsesäger an der Isar zum Beispiel brüten in einem Gebiet, in dem im Sommer jede Woche viele hundert Boote den Fluss runterfahren. Im Sprachgebrauch der Ökologen lastet dort ein erheblicher ‘Erholungsdruck’ auf der Landschaft. Doch die Vögel sind überhaupt nicht scheu, weil sie im Menschen keinen Feind sehen. Gänsesäger sind bei uns nämlich vor Bejagung geschützt. Bootsfahrer und Spaziergänger am Ufer stören sie nicht. Die Vögel ziehen dort sogar so erfolgreich ihre Jungen hoch, dass die Fischerei sie schon wieder abgeschossen haben will.

SPIEGEL: Also werden Freizeitsportler von Tieren an sich nicht als Bedrohung empfunden?

Reichholf: Nein. Das beste Beispiel dafür sind die Städte, die inzwischen einen Artenreichtum aufweisen, der den mancher erstklassiger Naturschutzgebiete weit übertrifft. Insgesamt haben Städte inzwischen eine vergleichbare Bedeutung für die Erhaltung der Artenvielfalt wie Naturschutzgebiete. In Berlin zum Beispiel leben zwei Drittel aller Vogelarten, die es überhaupt in Deutschland gibt. Und warum? Weil sie dort nicht vom Menschen verfolgt werden.“

Das vollständige Interview: spiegel.de

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Oberforstmeister Wilhelm Koch, Die Jagd in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1961

Wildtiere in der Stadt

„Der Jäger ist des Hasen schlimmster Feind; alle übrigen zahlreichen Feinde vermögen einen Hasenbesatz nicht so zu mindern wie dauernde und übermäßige Bejagung.“ (S. 60) „Auf großen Friedhöfen am Rand der Städte, ja selbst in größeren Parkanlagen innerhalb der Großstädte leben oft erstaunlich viele Hasen. Trotz aller Hunde und Katzen! Hier scheidet ja der Mensch, der Hauptfeind des Hasen, wegen des Jagdverbotes aus.“ (S. 62)

„Baggerseen geben heute den Wasservögeln neuen Lebensraum. Fütterungen auf den Anlagenseen größerer Städte erleichtern den Vögeln das Überwintern. Aber seltsam, derselbe Vogel, der inmitten der Großstadt das Futter buchstäblich aus der Hand nimmt, hält draußen eine sehr große Fluchtdistanz ein, eine Erscheinung, die mit der bekannten Klugheit der Entenvögel nicht allein zu erklären ist!“ (S. 73)

Der Fischreiher: „Heute wird er als Fischereischädling an manchen Orten schonungslos verfolgt. Der Vogel, der bei uns wegen der Belästigung durch 'Auch-Naturfreunde' und sogenannte Tierphotographen seine Kolonien aufgibt oder verlegt, brütet inmitten der Großstadt Rotterdam.“ (S. 73)

Also vor sogenannten Photographen ist der Fischreiher nach Rotterdam geflüchtet …?

Um „sogenannte Tierphotographen“ besser vertreiben zu können, haben die Deutschen Jäger nachträglich den § 19a in das Bundesjagdgesetz eingefügt.

Rechts ein Blick aus meinem Fenster: Nicht einmal durch eine Baustelle lässt sich der Reiher vertreiben. Was sucht er auf der Pferdekoppel? Bestimmt keine Fische!

Hamburg: Ein Rehwildbiotop

„Das Rehwild sucht immer stärker auch Biotope mit starker Wohnbebauung auf, obwohl die Störfaktoren Erholungsverkehr und Hunde immer mehr zunehmen und die weitere Zerschneidung des Rehwildbiotopes durch Straßenumbauten fortschreitet.“ So schrieb der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) in seinem Handbuch Jagd 1993 über die Millionenstadt Hamburg auf S. 123 und überführt seine Behauptungen über die vielen „Störfaktoren“ selbst der Lüge.

Rechts: Ein Bekannter, der an der Aller wohnt, schickte mir einen Blick aus seinem Wohnzimmer. Manche Gartenbesitzer sind überhaupt nicht erfreut, wenn Rehe die Knospen ihrer Blumen abfressen.


ARD exklusiv, 9. Jan. 2004

„Berlin: Hauptstadt der Schweine“

„Ganze Stadtviertel sind im Griff der wilden Sau. Bürger fühlen sich terrorisiert, Kleingärtner um die Früchte jahrelanger Arbeit gebracht, Förster sind auf dem Schlachtfeld der Schwarzkittel im Dauereinsatz, um aufgebrachte und verängstigte Anwohner zu beruhigen.“ (Textauszug vom WDR zur Wiederholung am 10. Juli 2004). Wildschweine greifen sogar Hunde an.

Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schätzt, dass 4000 bis 8000 Wildschweine auf dem Berliner Stadtgebiet leben: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/forsten/wildtiere/de/wildschwein.shtml.

„Stadtjäger befreien Berlin von Wildschwein-Rotten […] Etwa 30 ehrenamtliche Stadtjäger sorgen in Berlin dafür, dass die Wildschweine im Stadtgebiet nicht überhand nehmen“ (Berliner Morgenpost, 14. Dez. 2008)

Wieder eine typische Jägerpropaganda: Die Bestände steigen immer noch weiter!

Ganz falsch ist es, der Wildschweinplage mitten in Berlin etwas Positives abzugewinnen, wie es ein achtzigjähriger gelernter Schlachter tat: Auf dem Parkplatz eines Supermarktes setzte er nachts sein Handwerkszeug ein, tötete und zerlegte ein Wildschwein fachgerecht. Solch ein gutes Fleisch könne er sich sonst nicht leisten, soll er gesagt haben. Anzeige wegen Wilderei!

Wildschweinjagd in der Innenstadt von Rüsselsheim

An einem Sonntagmorgen im September 2008 beschloss eine Rotte Wildschweine, in die Innenstadt von Rüsselsheim vorzustoßen. Polizisten versuchten, die Wildschweine zurückzutreiben und schossen auch auf sie. Das machte die wilden Schweine nur noch wilder. In höchster Panik sprang ein Schwein durch die geschlossene Glastür eines Kinos. Am Ende gaben die Polizisten an die hundert Schüsse ab, töteten sechs Tiere, aber durchschossen auch die Scheibe eines PKWs. Fünf Stunden dauerte die Ballerei, bis die Schweine tot oder aus der Innenstadt vertrieben waren (https://www.stern.de/panorama/wildschweine-der-blutsonntag-von-ruesselsheim-3747496.html).

Die Jäger antworten auf die Invasion der Wildschweine: Die Stadtmenschen würden doch selbst aus falsch verstandener Tierliebe die Schweine mit Futter in die Städte locken! Das wurde inzwischen wissenschaftlich wiederlegt:

„'Überraschenderweise fressen Wildschweine in Berlin und Brandenburg fast ausschließlich natürliche Nahrungsmittel, vorrangig Eicheln, Engerlinge, Fasern oder auch Mais, während Nahrungsmittel aus direkter menschlicher Herkunft nur einen Bruchteil ausmachen. So waren nur in vier von 247 Mägen Brot mit Wurst und Käse und in weiteren fünf Mägen Plastikpartikel zu finden', berichtet Milena Stillfried vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW).“ (https://www.jagderleben.de/news/stadtsauen-keine-muellfresser, 22.04.2017 - 15:30)

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Deutsche Tierärztliche Wochenschrift, 98. Jahrgang (1991), S. 33-35

„Vertreibung von Wild durch Freizeitgestaltung“

Der Autor, Prof. Dr. Dr. Pohlmeyer, Jäger und mehrere Jahre Vorsitzender der Landesjägerschaft Niedersachsen e. V. (LJN), war damals Leiter des Instituts für Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Das Institut wurde damals hauptsächlich von einem Förderverein finanziert und betrieb Auftragsforschung für die LJN, das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und andere Jagdinteressierte. In der Mitgliederliste des Fördervereins fand man so erlauchte Namen wie Lorenz Bahlsen Snack-World Holding, Rheinmetall AG, PEMA Kraftfahrzeug-Handels GmbH, die LJN, die Jägerschaft Osnabrück-Stadt und eine Reihe von prominenten jagenden Persönlichkeiten (Stand 1997).

Prof. Dr. Dr. Pohlmeyer beginnt mit einer Schreckensmeldung: Eine Menschenlawine überrollt die Natur!

Es sei viel zu wenig bekannt, „daß z. B. an jedem Wochenende annähernd 40 Millionen Bundesbürger in Wald und Flur Erholung vom Streß der Großstädte suchen und der deutsche Wald jährlich 1,2 Milliarden Besucher zählt. Letzteres bedeutet rein rechnerisch, daß jeder Hektar Waldfläche von 168 Menschen pro anno betreten wird.“ (S. 33)

„Rein rechnerisch“ bedeutet das, dass 1 Hektar Wald etwa alle 2 Tage von 1 Mensch betreten wird. Na und?

Weiter berichtet der Prof. von einer Zunahme der Abenteuersporttouristen wie „Nachtmarschierer, Winterbiwakierer, Mountainbiker, Überlebenstraining Betreibende etc.“  (S. 34) Von einer Zunahme der Abenteuersportart Jagd und des Jagdtourismus hat der Afrikajäger (Namibia, Sambia) dagegen noch nie gehört.

„Nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie sind allein 112 Pflanzenarten infolge des Erholungs- und Ferienreiseverkehrs akut bedroht. Als Ursache hierfür sind neben dem Sammeln dieser Pflanzen in erster Linie Zerstörung durch Tritt, Lagern, Zelten, Wassersport, Wintersport und Reiten zu nennen.“ (ebd.)

Jäger dagegen schweben durchs Revier, bauen weder Zelte noch Hochsitze, zerstören keine natürliche Vegetation zu Gunsten von Wildäckern und Futterplätzen …

Ständig hat man uns weisgemacht, dass Industrie, Land- und Forstwirtschaft (saurer Regen, Schwermetalle, Dioxin, DDT, PCB, PCP, Lindan, Furan, Atrazin, Dieldrin, TBT, PBDE, DEHP, DBP, BBP usw.) am Aussterben tausender Tier- und Pflanzenarten Schuld seien – alles nur Peanuts! Auch Frau Dr. Merkel muss geirrt haben, als ihr Umweltbundesamt 1998 feststellte: „Hauptverursacher für den Artenrückgang sind Land- und Forstwirtschaft.“

Am Beispiel des Rotwildes bringt der Prof. seine Argumente auf den Punkt:

„Sichern und Flüchten sind die wichtigsten Handlungen des Feindverhaltens beim Rotwild. Schon allein der wahrgenommene menschliche Geruch reicht aus, diese Wildart tagtäglich stundenlang sichern zu lassen. Abgesehen von der enormen Zeit, die hierdurch für die Nahrungsaufnahme verlorengeht, resultiert aus dieser durch einen in den meisten Fällen 'unechten Feinddruck' ausgelösten künstlich überhöhten Fluchtbereitschaft beim Rotwild eine an Überforderung grenzende Belastung und damit ein tierschutzrelevanter Zustand.“ (ebd.)

Aha: Spazierengehen im Wald = fast eine Tierquälerei!

„Störungen des Rotwildes im Winter wirken sich besonders schwerwiegend aus. Nach BARTH führen menschliche Störungen – wenn auch ungewollt – in schneereicher Notzeit zum Tatbestand der Tierquälerei.“ (S. 35)

Aha: Spazierengehen im verschneiten Wald = vollendete Tierquälerei!

Aber Skilaufen im Wald = grausamste Tierquälerei!

„Bei Kenntnis dieses Sachverhalts ist es erklärlich, daß besonders in Skilanglaufgebieten mit einem höheren Prozentsatz von querwaldeinlaufenden Individualisten immer wieder völlig abgekommene, apathische, zu keiner Fluchtreaktion mehr fähige Stücke angetroffen werden, die nur [!] noch eine gut gezielte Kugel von ihrem Leiden erlösen kann.“ (ebd.)

Nun tauchen die echten, querwaldeinlaufenden Feinde des Rotwildes auf – in ihrer wahren Rolle als barmherzige Samariter:

Ihre Medizin heißt Blei!

Der Prof. ist gelernter Tierarzt.


Anzeige: Jäger-Ski-WM am Tegernsee vom 21. bis 24. Februar 2019, Disziplinen: jagdliches Schießen und Riesenslalom. „Teilnehmen kann jeder Waidmann, der gern auf zwei Brettern unterwegs ist. […] Zudem wird bei passender Witterung in Kreuth am Schießstand Ihrer Königlichen Hoheit Herzogin Helene in Bayern auf eine Ehrenscheibe geschossen.“ (jagderleben.de)

Foto aus Nds. Landesjagdbericht 2005, S. 18. Fotograf: S.-E. Arndt

Man kann diesen wissenschaftlich fundierten Quark immer weiter breit treten. Ich habe mir den Scherz erlaubt, eine Pressemitteilung des Deutschen Jagdschutz-Verbandes e. V., abgedruckt in der Celleschen Zeitung vom 11.11.2000 (sic), zu fälschen und dem Original gegenüber zu stellen. Die Intelligenz des Profs. wird ausreichen, den Schwindel zu durchschauen.

Original oder Fälschung?

Wild nicht stressen

Wild nicht stressen

Jagdsport nur mit Rücksicht auf Natur

Luftsport nur mit Rücksicht auf Natur

BONN (cz). Jagdsportarten wie Ansitz- und Treibjagden oder Geländewagenfahren, die sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit erfreuen, können zu starken  Beeinträchtigungen wild lebender Tiere führen. Darauf weist der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) in Bonn hin und appelliert an alle Jagdsportbegeisterte, ihr Hobby möglichst naturverträglich auszuüben.

BONN (cz). Luftsportarten wie Drachen- und Gleitschirmfliegen oder Ballonfahren, die sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit erfreuen, können zu starken  Beeinträchtigungen wild lebender Tiere führen. Darauf weist der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) in Bonn hin und appelliert an alle Luftsportbegeisterte, ihr Hobby möglichst naturverträglich auszuüben.

Jagdsportler sind meist in den Morgen- und Abendstunden unterwegs, das heißt genau zu der Zeit, wenn Wildtiere zur Nahrungssuche die höchste Bewegungsaktivität zeigen: Gerade dann reagieren die Tiere besonders empfindlich auf Beunruhigungen in ihrem Lebensraum.

Luftsportler sind meist in den Morgen- und Abendstunden unterwegs, das heißt genau zu der Zeit, wenn Wildtiere zur Nahrungssuche die höchste Bewegungsaktivität zeigen: Gerade dann reagieren die Tiere besonders empfindlich auf Beunruhigungen in ihrem Lebensraum.

Bei  Begegnungen  mit Jägern oder Kugeln flüchten die Tiere panikartig. Auslöser für das Verhalten der Tiere sind zum einen der Schattenwurf des Jägers, der mit einem Raubtier verwechselt wird oder Geräusche, wie Gespräche der Jäger, das Motorengeräusch des Geländewagens oder der Knall des Schusses. Die Wildtiere können die Richtung der Geräusche in der Regel nicht lokalisieren, und das bedeutet Stress. Erhebliche Unruhe verursachen auch die Kugeleinschläge und anschließenden Abholaktionen der Leichen mit Kraftfahrzeugen.

Bei  Begegnungen  mit Drachen oder Ballons, die sich in geringer Höhe befinden, flüchten die Tiere panikartig. Auslöser für das Verhalten der Tiere sind zum einen der Schattenwurf des Luftsportgerätes, der mit einem Greifvogel verwechselt wird oder Geräusche, wie Gespräche der Besatzung, das Motorengeräusch oder das Betätigen des Ballon-Brenners. Die Wildtiere können die Richtung der Geräusche in der Regel nicht lokalisieren, und das bedeutet Stress. Erhebliche Unruhe verursachen auch die Landungen und anschließenden Abholaktionen mit Kraftfahrzeugen.

Jagdsportler sollten sich daher über die von ihnen bejagten beziehungsweise durchfahrenen Gebiete genau informieren und besonders sensible Naturräume meiden.

Luftsportler sollten sich daher über die von ihnen überflogenen beziehungsweise überfahrenen Gebiete genau informieren und besonders sensible Naturräume meiden.

Vorsicht: Fälschung!

Nur dieses ist echte Jägerpropaganda, einschließlich der Schreibfehler der CZ.




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Autor: Jürgen Andresen, 29331 Lachendorf, Dorfstr. 51, eMail: juergen.andresen(a)web.de

http://eti-veth.de/stoerung.htm
2024-04-07