Albert Weisgerber, Ausritt im Englischen Garten, 1910
(Quelle: Wikipedia)

Vorurteil Nr. 1 gegen das Reiten:

„Reiter machen die Wege kaputt!”

In allen Bundesländern darf man nur auf Wegen reiten, auf denen auch PKWs, LKWs usw. fahren können, oder auf eigens eingerichteten Reitwegen.

Die Klage „Reiter machen die Wege kaputt” ist zumindest stark übertrieben, wenn man bedenkt, dass die Spuren der zig Tonnen schweren Traktoren, LKWs und aller anderen land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge viel tiefer sind und viel häufiger auf den unbefestigten Feld- und Waldwegen anzutreffen sind und den Fußgängern und Radfahrern mehr zu schaffen machen als Hufspuren.
 

„Ist es nicht eine Frechheit, dass die Wanderer durch knöchelhohen Schlamm laufen müssen, nur weil die kommerzielle Forstwirtschaft rücksichtslos Holz erntet?” schreibt der Öko-Förster Peter Wohlleben im seinem Buch „Gebrauchsanweisung für den Wald”, Piper-Verlag 2017, S. 16. „Früher wurde Holz nur im Winter eingeschlagen und nur bei trockener Witterung oder bei Frost gefahren.” (ebd.)

Aber nicht nur die Wege leiden, sondern vor allem auch die Bäume: Durch das Gewicht der tonnenschweren Forstmaschinen, die auch zwischen den Bäumen hin- und herfahren, wird der Boden verdichtet und der Gasaustausch zwischen den Bodenschichten untereinander und mit der Atmosphäre vermindert, was das Wachstum der Wurzeln und damit des ganzen Baumes beeinträchtigt.

Im Heft 13/2000 der „Allgemeinen Forst Zeitschrift/Der Wald” ist ein Artikel zum forstlichen Wegebau abgedruckt: „Bestandeserschließung und Bodenbefahrbarkeit”. Der Autor, Dr. Gaumitz vom Institut für Forstbenutzung und Forsttechnik der TU Dresden, macht Vorschläge, wie ein Forst durch Wege, Schneisen usw. für Forstfahrzeuge zu erschließen ist, in welchem Abstand die Wege angelegt werden sollten und unter welchen Bedingungen die Wege zu befestigen und zu reparieren sind. Dieses wird in Abhängigkeit von der Tragfähigkeit der verschiedenen Waldbodentypen untersucht. Als zulässige, d. h. zu akzeptierende maximale Fahrspurtiefe werden 9 cm (bei Sand oder Schotter) bis 40,5 cm (nasser Lehm oder Ton) angegeben (S. 687). Ein Reiter, der sein Pferd so tief einsinken ließe, würde dessen Gesundheit akut gefährden.

In den Planungsempfehlungen des Artikels heißt es, dass auf den Wegen immer noch bis zu 27,5 cm tiefe Spuren durch die Forstfahrzeuge zu erwarten sind (S. 688). Maßnahmen zur Ausbesserung der Wege sollten erst bei Spuren von mehr als 10 cm Tiefe vorgenommen werden. Nach Meinung des Autors „sind Fahrspuren bis 10 cm Tiefe akzeptabel.” (S. 691) Dass Reiter solche oder tiefere Spuren hinterlassen würden, liest man nicht.

Der Autor geht davon aus, dass ein LKW mindestens 30 Festmeter (30 m³) Holz transportiert. Das entspricht einem Ladungsgewicht von 15 bis über 20 Tonnen, je nach Holzart. Zum Vergleich: Pferd und Reiter wiegen zusammen keine drei Viertel Tonnen.

In der Hannoverschen land- und forstwirtschaftlichen Zeitung (Land & Forst, Mitteilungsblatt der LWK Hannover), Heft 11/2003, heißt es: „Die Belastung der Waldböden durch den Einsatz von immer leistungsfähigeren und damit schwereren Forstmaschinen bei der Holzernte nimmt zu.” (S. 52) Der Autor von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg betont, dass bereits ein einmaliges Befahren den Waldboden für lange Zeit verdichtet. Von Schäden durch Reiter liest man nichts.

„Hohe Lasten und oft extreme Geländeverhältnisse stellen nicht nur hohe Ansprüche an die Holztransportfahrzeuge, sondern auch an die Waldwege. Die Instandsetzungskosten stiegen in den vergangenen Jahren auf beiden Seiten. So werden im niedersächsischen Landeswald derzeit für Wegeunterhaltung und Verkehrssicherung jährlich über fünf Millionen Euro ausgegeben. [… Bei einer Vorführung zeigten sich] vor allem Probleme beim konventionellen einfach bereiften Sattelzug. Dieser kann beladen bei einem Gesamtgewicht von 40 t nur unter maximaler Ausnutzung der Kurvenräder und Bankette und mit radierenden Reifen des Trailers die Kurve durchfahren. Das führte zu starken Schäden an der Fahrbahn.” (Land & Forst 37/2003, S. 39 f)

In Fachkreisen wird zugegeben, dass Forstarbeiten mit Pferden (Kaltblütern) Waldboden und Baumwurzeln weniger belasten als Maschinen, die nicht nur den Boden verdichten, sondern außerdem noch das stehende Holz beschädigen, indem sie mit den Reifen die Rinde abschälen. Beim Einsatz von Maschinen gilt die Beschädigung von 10% der stehenden Bäume als akzeptabel.

„Außerdem knacksen die sogenannten Rückepferde weitaus weniger Bäume an als Maschinen. Durch derartige Verletzungen dringen leicht Bakterien in die Bäume ein und lassen sie verfaulen. Experten haben errechnet, daß ein Pferd nur durchschnittlich 17 sogenannte Faulstämme pro Hektar verursacht, ein Schlepper aber zehnmal soviel. ” (Spiegel special 2/1995 vom 1. Februar 1995, Seite 88)

Was dem Wald wirklich schadet

PEFC-Deutschland (Pan-Europäische Zertifizierung der Forstwirtschaft) stellt folgenden Verstöße gegen ihre Richtlinien sozial- und umweltverträglicher und nachhaltiger Forstwirtschaft fest:

„Ganz oben rangieren die Punkte Unfallverhütungsvorschriften, Bioöle und das flächige Befahren von Waldflächen. Spitzenreiter sind allerdings nach wie vor überhöhte Wildbestände.” (Land & Forst 15/2007, S. 50)

… und die Märchen der Jäger

Jäger schließen sich gern als Trittbrettfahrer den weitverbreiteten Beschwerden gegen die Reiter an, diese würden die Wege zerwühlen. Spricht man jedoch die Jäger auf die Wühlerei der Wildschweine an, die die Bodenvegetation (Krautschicht) des Waldes zerstören, durch Fraß von Eicheln die natürliche Verjüngung von Eichenwäldern behindern und teilweise sogar Baumwurzeln freilegen, antworten sie, das nütze nur dem Wachstum der Bäume, da es den Boden auflockere.

Jäger appellieren an die Reiter, neben den Fahrspuren zu reiten, damit die Forstarbeiter mit ihren Mopeds [!] ungehindert zu ihrem Arbeitsplatz im Wald gelangen können … als ob die Forstarbeiten heute nicht von Polen-Kolonnen ausgeführt würden, die mit Geländewagen und LKWs in den Wald gekarrt werden! Der Kreisjägermeister Celle versteigt sich gar zu der Behauptung, die Reiter würden die Wege derartig zerstören, dass die Waldbesitzer ihr Holz nicht mehr abtransportieren könnten (CZ, 13. Januar 2005).

NSG Schweinebruch: Hier lässt ein Waldbesitzer, der gleichzeitig Jäger ist, fast in jedem Jahr während der heiligen Setz- und Brutzeit Forstarbeiten ausführen (Foto von 2017).

Cellesche Zeitung (CZ), 7. März 2006

Wardböhmer ärgern sich: Lastwagen fahren Straßen kaputt

Immer mehr Holztransporte zum Bahnhof / Sanierung unausweichlich

CZ, 28. Juni 2002

Gemeinde muss in die Tasche greifen

Holzabfuhr belastet Marweder Wege

Land & Forst 25/2008, S. 51

Teure Forstwege-Reparaturen

„Wir werden 2008 insgesamt 7,2 Millionen Euro einsetzen, um unsere Wirtschaftswege in den Landesforsten zu reparieren”, bilanziert Hans-Jürgen Kreuzkam vom Niedersächsischen Forstamt Lauterberg. Die Forststraßen und Maschinengassen hätten unter den großen Holzmassen gelitten, die nach dem Sturm vom Januar 2007 bis heute abtransportiert werden mussten, erklärt Kreuzkam.

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2018-12-13